: RU486 — „Hoechst soll endlich handeln“
■ Nach der gestrigen Bundesratsentscheidung für die Fristenregelung neue Verhandlungen mit Roussel-Uclaf anvisiert
Berlin/Frankfurt/Main (taz) — Mit der gestrigen Bundesratsentscheidung zugunsten der Fristenregelung sind nun gewichtige Hinderungsgründe der Hoechst AG gegen die bundesweite Einführung des Abtreibungsmedikaments RU486 aus dem Weg geräumt. Wie die Pressesprecherin des Frankfurter Unternehmens, Feig, gestern mitteilte, sei in der Bundesrepublik nun eine demokratische Mehrheit für eine Fristenregelung zustandegekommen. Das Bundesratsergebnis sei umgehend der französischen Tochterfirma Roussel-Uclaf, die das künstliche Hormon entwickelt und herstellt, mitgeteilt worden. Nun gehe es darum, auch in Deutschland mögliche Kontrollregelungen zu treffen, um einem Mißbrauch der „Abtreibungspille“ vorzubeugen. „Die Firma Roussel-Uclaf will natürlich sicher gehen, daß kein Schwarzmarkthandel mit der Pille entsteht.“ Entsprechende Gespräche bezüglich einer solchen Kontrollregelung der Vertriebswege und der Ausgabe würden, so Feig, sicherlich nach dem Ende der Sommerpause zwischen Vertretern von Roussel-Uclaf und Mitgliedern der Gesundheitsministerkonferenz der Länder wieder aufgenommen werden.
Die politische Debatte um die Zulassung der RU486 hatte in den letzten Tagen erneut einen Höhepunkt erreicht, nachdem sich neben Frauenministerin Merkel (CDU) und Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) auch Bundestagspräsidentin Süssmuth für ihre Zulassung auf dem bundesdeutschen Markt eingesetzt hatten. Dagegen protestierten vor allem Kirchenvertreter und LebensschützerInnen vehement gegen die Einführung der Pille. Die hessische Staatssekretärin im Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, Brigitte Sellach (Grüne), forderte den Frankfurter Pharmakonzern gestern auf, er solle dem französischen Tochterunternehmen Roussel-Uclaf grünes Licht für die deutsche Erprobung und Zulassung von RU486 erteilen. „Alle von Hoechst eingeforderten Voraussetzungen für das Erprobungs- und Zulassungsverfahren des Abtreibungsmedikaments RU486 sind nun gegeben.“
Bereits Mitte Juni hatte die amtierende Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder, die hessische Ministerin Iris Blau (die Grünen), ein Gespräch über eine von Hoechst monierte neue „Vertriebsregelung“ für RU486 in Deutschland angeboten. Sellach: „Wir haben Roussel-Uclaf und der Hoechst AG zum Wohle der Frauen diese Brücke gebaut, damit es zur unverzüglichen Erprobung und Zulassung des Medikaments kommen kann.“ Jetzt seien Hoechst und Roussel-Uclaf „am Zug“, denn alle anderen Vorbehalte seien längst gegenstandslos geworden.
Im Rahmen der klinischen Erprobung, so Sellach, würden die Vertriebswege für rund 18 Monate ohnehin von der Herstellerfirma kontrolliert und bestimmt werden. Zu diskutieren sei mit Roussel-Uclaf lediglich, ob nach einer Marktzulassung von RU486 das geltende Arzneimittelgesetz für eine strenge Kontrolle des Vertriebs ausreiche, um einen Mißbrauch auszuschließen, oder ob die EG-Richtlinie 92/26 zur Abgabe von Humanmedizin entsprechend umgesetzt werden müsse. Immerhin würde im Rahmen des geltenden Arzneimittelgesetzes die Kontrolle auch bei anderen Medikamenten, etwa Opiaten, funktionieren. Sollte sich eine Modifizierung der Kontrollpraxis als notwendig erweisen, werde Hessen eine entsprechende Initiative im Bundesrat einbringen.
Wie aus dem Bundesgesundheitsamt in Berlin zu erfahren war, steht man einem Zulassungsantrag „auf keinen Fall von vornherein ablehnend“ gegenüber. Immerhin sei RU486 in Frankreich, England und der Schweiz längst zugelassen — „wir orientieren uns an europäischen Standards“. Auf Antrag gehe RU486 in das Zulassungsverfahren.
Nach Auskunft von Pressereferentin Barbara Bussfeld aus dem hessischen Gesundheitsministerium lägen bereits Angebote zur Durchführung der Erprobungsphase aus Kliniken in Bremen und Hessen vor. Während dieser Phase bleibe ausreichend Zeit, ein eventuelles Vertriebsproblem einvernehmlich zu lösen. kpk/flo
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen