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Das hat uns gerade noch gefehlt!

Auf nüchternen Magen: Ab heute gibt's Frühstücks-TV von ARD und ZDF  ■ Von Reinhard Lüke

Endlich vorbei die Zeiten, da man wie von Sinnen mit Zahnbürste im Mund frühmorgens in der Wohnung umherirrte, weil ARD und ZDF einen fahrlässig über den Zustand der Welt im unklaren ließen: Ab heute brauchen wir uns die Bilder zu den Radio-Nachrichten nicht mehr selbst auszumalen. Ab heute gibt's öffentlich-rechtliches Frühstücksfernsehen. Fünfmal die Woche, von sechs bis neun Uhr. Im wöchentlichen Wechsel werden ARD und ZDF um die Gunst all derjenigen werben, die zwischen süßen Träumen und dem Start in des Tages Weh und Ach die Muße finden, auf ihre Fernbedienung zu drücken. So neuartig und skurril die Idee eines Fernsehprogramms auf nüchternen Magen auch anmuten mag, im internationalen Vergleich stehen ARD und ZDF eher schlafmützig da. In den USA gibt's sowas bereits seit 1952, und auch Franzosen und Engländer „genießen“ es seit seit mehreren Jahren. Seit 1987 offerieren auch hierzulande private Versorgungsunternehmen wie RTL und Sat1 den telegenen Frühstücksservice.

Die Unterschiede im Grundkonzept all dieser Veranstaltungen sind im Grunde marginal. Ausgehend von der Überlegung, daß sich der gemeine Arbeitnehmer zwischen Aufstehen und dem Verlassen der Wohnung für maximal zwanzig Minuten vor der Glotze niederläßt, werden die Morgenmagzine von einem halbstündigen Nachrichten- und Wetterblock strukturiert. Die Zeit dazwischen wird mit Reportagen, Sportberichten, Interviews und Studiogästen gefüllt (wovon im Laufe der drei Stunden vieles wiederholt wird, weil dem „gleitenden“ Angestellten schließlich auch zusteht, was der Arbeiter schon zwei Stunden vorher erfahren durfte). Ein Schema, das im großen und ganzen auch für das öffentlich-rechtliche Frühstücksbuffet gilt. Was den entscheidenden Unterschied angeht, führen ARD und ZDF — einmal mehr — ihren Vorsprung in Sachen Informationskompetenz ins Feld. Fritz Pleitgen, WDR-Chefredakteur, der das Morgenmagazin für die ARD produziert: „Unser Vorteil gegenüber den privaten Konkurrenten ist das riesige Korrespondentenetz, und den werden wir voll in die Waagschale werfen.“ Doch ungeachtet allen Seriositätsanspruchs weiß man auch bei ARD und ZDF, daß man den Zuschauern auf nüchternen Magen kein stocknüchternes Nachrichten-Müsli auf den Teller legen kann. So soll es denn auch in der ersten Reihe durchaus unterhaltsam zugehen. So will der WDR mit einer „Morgenmaus“ und einem „Kurzkrimi“ auch bei jugendlichen Zuschauern die TV-Lust heben, und der Schweizer Jörg Kachelmann soll auch die dicksten Schauer noch heiter bis wolkig verkaufen. Beim ZDF sieht Frühstücks-Chef Peter Frey die zentrale Aufgabe seines Magazins zwar in einem „antizipierenden Journalismus“ (damit man um 6 Uhr schon weiß, wovon um 19 Uhr in heute die Rede sein wird), aber auch die Mainzelmännchen setzen offensiv auf Kurzweil.

Bei der Präsentation ihrer frischgelegten Frühstückseier setzen ARD und ZDF auf den immer wieder gern gesehenen Typus „jung, dynamisch und unverbraucht“. Der WDR schickt die — mehr oder minder — Eigengewächse Julietta Münch und Jürgen Drensek ins Rennen, während sich das ZDF (das ohnehin aus Berlin sendet) betont „gesamtdeutsch“ gibt: Chermo Jobaty verdiente seine Brötchen bisher beim SFB, und seine Co-Moderatorin, Maybrit Illner, stand (wie auch Sport-Präsentator Thomas Skulski) bis Ende 1991 in Diensten des DFF.

Die Frage, ob uns das Frühstücksfernsehen gerade noch gefehlt hat, ist müßig. Zwar diagnostizierte Rainer Holbe, einst Moderator des RTL- Früh-Magazins, einmal scharfsinnig: „Das Problem des Frückstücksfernsehens ist, daß es bisher noch niemand vermißt hat“, aber das war schließlich bei Mikrowellen, Slip- Einlagen und Tutti Frutti auch nicht anders. Gleichwohl, allzu kühnen Erwartungen hinsichtlich der Einschaltquote gibt man sich auch bei ARD und ZDF nicht hin. Ein Umstand, der nicht zuletzt daraus resultieren dürfte, daß in den wenigsten deutschen Haushalten das Fernsehzimmer mit der Küche identisch ist. Ein Kölner Elektrohändler versuchte am vergangenen Wochenende jedenfalls schon mal, ein TV-Portable unter dem Slogan „Das ideale Zweitgerät fürs Frühstücks-TV“ unters Volk zu bringen.

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