: Kniefall vor dem Torwart
■ Die neue Rückpaßregel sorgte beim Zweitliga-Auftakt für ungewohnte Kabinettstückchen und kostete Hertha BSC beim 2:2 gegen St.Pauli einen Punkt
Berlin (taz) — Neue Regel, neues Spiel. Am Wochenende startete die zweite Fußball-Bundesliga in die neue Saison und darf nun als Versuchskaninchen herhalten für zwei Experimente der kuriosen Art. Zum einen ist sie für das kommende Jahr zur Mammut-Liga mit 24 Vereinen aufgebläht worden, denen eine endlose Saison bevorsteht. Zum anderen müssen sich die Spieler an die neuen Regeln gewöhnen, die das Gekicke flotter machen sollen.
Da ist zum Beispiel die neue Regel, wonach der Torwart Rückpässe nicht mehr mit der Hand aufnehmen darf — sofern ihm der Ball mit dem Fuß zugespielt wurde. Dank dieses Hintertürchens konnten einige Abwehrspieler beweisen, daß sie mehr Listigkeit besitzen als ihnen gemeinhin unterstellt wird. Daß in den meisten Stadien am ersten Spieltag die Rückpässe per Kopf erfolgten, war zu erwarten, einige Spieler aber führten die neue Vorschrift mit Schabernack ad absurdum: Sie gingen vor dem Gesetz in die Knie und spielten den Ball mit selbigem; die erste Stufe auf dem Weg zum Sitzfußball.
Andere wiederum waren zu brav, zu unflexibel und hatten heftig unter dem neuen Verdikt zu leiden. Besonders schlimm traf es die Mannen von Hertha BSC beim Gipfeltreffen der Wirtschaftsgiganten in Berlin. Hertha, die in zwei Wochen einhundert Jahre alt wird, hatte den FC St.Pauli zu Gast. Beide Vereine haben sich den Aufstieg zum Ziel gemacht und dementsprechend investiert: mit einem Etat von 9,8 Millionen Mark ist die Hertha monetär Zweitligaspitzenreiter, dicht gefolgt von den Paulianern mit 9 Millionen Mark.
Herthas Trainer Bernd Stange hatte schon vorher geahnt, daß die neue Regel seinen Jungs zum Nachteil gereichen würde: „Das schafft nur Konflikte und überfordert die Schiedsrichter.“ Und seine Schutzbefohlenen. Schließlich ging der schon sicher geglaubte Sieg gegen St.Pauli wegen der neuen Vorschrift flöten. Dabei schien es nach einer halben Stunde, als müßte nur noch über die Höhe des Berliner Sieges spekuliert werden. So stark die Hertha permanent das Tor der Hamburger berannte, so schlecht schnarchten die Paulianer über den Platz. Deren neuer Trainer Michael Lorkowski brachte es auf den Punkt: „Wir hatten Schiß, Fußball zu spielen, waren zu tolpatschig in den Zweikämpfen und haben die erste Halbzeit verschlafen, kurz: Wir haben nicht gut gespielt.“
Und dennoch einen Punkt geholt. Den ersten Schritt dazu taten die Paulianer zehn Sekunden vor der Pause. 0:2 lagen sie zurück, betraten zum ersten Mal den Berliner Strafraum, um für Durcheinander zu sorgen und hatten damit Glück. Herthas Verteidiger Erich Seckler wußte nicht, ob er den Ball zu Torwart Junghans spielen sollte oder nicht, letzterer nicht, ob er ihn nun in die Hand nehmen darf. Also rannten beide am Ball vorbei, Manzi schoß ihn ins Tor.
Durch dieses Glück und einen heftigen Rüffel ihres Trainers gestärkt, spielten die Hamburger nach der Pause endlich mit und durften gar überlegen werden, als Hertha den neuen Regeln ihr zweites Opfer brachte. Marcus Feinbier wurde wegen unerlaubten Wegtretens des Balles vom Platz gestellt, und drei Minuten vor Schluß handelten sich die Berliner noch einen unnötigen Elfmeter ein, den Peter Knäbel zum Ausgleich nutzte.
Hernach beklagte Bernd Stange nicht nur die Opferrolle seines Teams, sondern den Nachteil für den Fußball im allgemeinen: „Statt über den Torwart das Spiel schnell aufbauen zu können, wird der Ball nur noch blind weggedroschen.“ Unbestätigten Gerüchten zufolge wollen die Herthaner nun im Geheimtraining einen neuen Übungsteil einstudieren: den rutschenden Kniedoppelrückstoß. nihil
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