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Thüringen bangt um seine Skandalminister

■ Das Volk fürchtet die Rückkehr von Innenminister Böck und Axthelm (Soziales) in ihre angestammten Berufe

Erfurt (taz) — Furcht geht um in Thüringen vor der Stunde Null. Nach gesicherten Informationen steht eine gleich doppelte Nullösung unmittelbar bevor. Ministerpräsident Bernhard Vogel hat den Ärger mit seinen Skandalministern Axthelm, Arbeit und Soziales, und Willibald Böck, Inneres, satt und will sie während der Sommerpause im Rahmen einer Regierungsumbildung in die Wüste schicken.

Doch es regt sich Widerstand. Massenproteste dräuen herauf. Um jeden Preis will das schwer heimgesuchte Bratwurstvolk die Rücktritte der Minister doch noch verhindern. Die Gründe liegen auf der Hand.

„Wenn Axthelm als Minister verloren ist, sind wir es auch“, sagen unzählige seiner zukünftigen Patienten. Der Mann hat irgendwann einmal ein Arztdiplom erhalten und kehrt nach dem Sturz unweigerlich zu diesen Wurzeln zurück. Die aber bedrohen dann unser Leben. Deshalb soll er im Amt bleiben, weiter auf Staatskosten in Luxussuits hausen, Sozialhilfe in Millionenhöhe verschlampen und sich als kenntnisreicher Dienstwagenhändler, Verlust für den Staat etwa 10 TDM, qualifizieren.“

Für ein Trinkgeld hatte Axthelm das Haus „Thüringen“ an seinen Intimus Hohmann verpachtet, die Idee dazu war allerdings nicht auf des Ministers alleinigem Mist gewachsen. Auch der Duchac Peppi war, wie immer, mit von der Partie. Der dubiose Hotelpächter, IM Hohmann, Verfasser mehrerer hundert Berichte an die Stasi, war seinerzeit Mitglied des Rates des Bezirkes, SED. Nach der Wende Stellvertreter von Duchac, als Regierungsbeauftragter de Maizières, dann unter dem heutigen CDU-Fraktionsvorsitzenden, Jörg Schwäblein, juristischer Berater im Korruptionsausschuß, dann juristischer Vater der Regierung Duchac, desgleichen des Innenministeriums, wurde er nach Enttarnung als IM mit jener Pfründe Thüringen-Hotel belehnt, in der sich auch Willibald Böck, noch im Mai, mit jenem Raststättenpächter aus Hessen ein Stelldichein gab. War Duchac bei Hohmann für ein kleines Kompensationsgeschäft im Wort? Am Wochenende wurde bekannt, daß er Hohmann 1990 gar die Stelle eines „Bevollmächtigten“ der Landesregierung für die Zusammenarbeit mit der Treuhand verschaffen wollte. Ein sicherlich idealer Tummelplatz für den agilen jetzigen Hotelier.

Axthelm hat von allem nichts gewußt. Ihm ging es nur um Wohltätigkeit. Wohltätigkeitsbälle im Thüringen-Hotel.

Auch um Willi Böck, den Hammer, zu behalten, werden die Massen auf die Straße gehen. Schon um ihren Kindern die Horrorvision zu ersparen, Willibalden nach den Ferien wieder auf dem Katheder argwöhnen zu müssen. Böck, gegen den wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit ermittelt wird, erfreut sich — die Thüringer werden sich bedanken — zu allem Überfluß der besonderen Fürsorge des Justizministeriums. „In Abstimmung“ mit dem Ministerium hat Generalstaatsanwalt Hutt nämlich überraschend Mitte Juni mitgeteilt, es gebe keinen hinreichenden Tatverdacht. Die unübliche Stellungnahme dürfte ihren Teil dazu beigetragen haben, Böck auf dem CDU-Landesparteitag am 20. Juni knapp wieder auf den Stuhl des Landesvorsitzenden zu lupfen.

„Entsetzen weht durch Kinderröckchen, wenn's Schulbuch schwingt der Pauker Böckchen.“ Er soll heimlich schon wieder Deutschstunden geben, im Kreise seiner Parteifreunde. Die einstige Pflichtlektüre aller DDR-Schüler: Nikolai Ostrowski, Wie der Stahl gehärtet wurde.Henning Pawel

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