: Falls einer den Stein aufhebt
■ Damian Gorman, nordirischer Poet und derzeit in Bremen, über den Tod und das Saufen
Seit vier Monaten ist er nun schon in Bremen. Damian Gorman, 31, der Nordire, geboren in Newcastle, County Down. Was er hier eigentlich will, frage ich ihn anläßlich seiner Dichterlesung in der Villa Ichon, und da schaut er nur fragend. Seine Frau studiert halt Deutsch und recherchiert für ihre Abschlußarbeit, er ist nur mitgekommen, das sei doch selbstverständlich.
Arbeiten könne er auch hier, für das Stück über Alkoholismus, das er gerade konzipiert, könne er auch in Bremen Material sammeln. Alkohol? Hat er damit Probleme? „The irish brain desease“, die irische Säufer-Krankheit? Nein, hat er nicht. Nicht mehr. Er trinkt schon seit langem keinen Tropfen. Sein Vater hatte große Probleme, sein Bruder hat sie noch. Ganz schlimm sogar, „der pfeift sich alles rein, was er kriegt“, sagt Damien mit starkem nord-irischem Akzent. „Nicht nur Alhohol, er ist jenseits von Gut und Böse, der merkt nichts mehr“.
Die alte Geschichte also? Ein Ire trinkt und singt und was danach kommt, ist völlig egal? Damian wird noch viel nachdenklicher. Er schweigt lange, dann kommen langsam und zögerlich ein paar Worte: Ja, vielleicht, aber diesen irischen Klischees will er gerade nicht entsprechen. für ihn nicht. Er schreibt Stücke und Gedichte, macht Dokumentarfilme für das Fernsehen. Über Tod und Trauer, Alkohol natürlich, die katholische Kirche, den Bürgerkrieg in Ulster. „Probleme“ oder „troubles“ nennt man den bewaffneten Kampf dort, es sind typisch britische Bezeichnungen.
hierhin den
jungen Mann
Muß ein irischer Dichter denn immer alles aus einer politischen Sicht beschreiben, immer den Krieg im Hinterkopf, die sozialen Probleme vor Augen? Ach was, wie ein Kind kommt Gorman sich manchmal vor, so naiv. Eine Phrase kommt ihm in den Sinn, die sich zwangsläufig weiterentwickelt. Nothing to Fear zum Beispiel, eine Sendung über den Tod. „Menschen sterben bei uns oft für eine Kleinigkeit“, sagt er, nur reden mag kaum jemand darüber. „Ich habe keine Angst, es auszusprechen. Meine Mutter lag im Sterben, während meine Tochter unterwegs war. Leben ging und kam. Ich hatte mir als Poet nie Gedanken über den Tod gemacht. Meine Mutter wollte mit mir über Sterben und Schmerzen reden, und ich hatte einen fürchterlichen Horror davor, so große Angst, daß sie bald nicht mehr da sein würde.“
Er war einfach nicht so für sie da, sagt er, wie er es hätte tun wollen. „Viele Monate später sprach ich mit Sterbenden, über ihre Hoffnungen, und ich verstand meine Mutter, so lange danach. Es ist ein ungeheures Privileg“, sagt er, „mit Menschen an der Schwelle des Lebens reden zu dürfen.“
Wer den Tod so sehr fürchtet, hat auch Angst vor dem Leben, findet Damian Gorman. Leben ist Fühlen, das macht er deutlich. In einem seiner Gedichte heißt es übersetzt: „Als er mich berührte, dachte ich, da war Verständnis in seinen Handflächen“. Dabei reibt er seine eigenen Hände, macht innerlich mit, was er da vorträgt. Vom Blatt liest er nicht ab. Kein einziges Gedicht ist je veröffentlicht worden, er hat alles im Kopf. Das hindert ihn am Vergessen, denn Menschen vergessen viel zu schnell, sagt er.
Schriftsteller können den gesellschaftlichen Prozessen die Haut abziehen, die sie umhüllt und verschleiert. Das sei ihre Aufgabe. Das Pathos, das dabei mitschwingt, nimmt er in Kauf, aber er weiß auch, daß er Menschen nicht belehren kann.
Wie hat er mit dem Schreiben angefangen? „Eines Tages merkte ich, daß ich es kann. Ich mag den Rhythmus von Sprache, wie Leute miteinander reden. Darum veröffentliche ich auch nicht. Die Leute haben einen Heiden-Respekt vor geschriebener Poesie.“ Ihm kommt das vor wie die Glasvitrine mit dem guten Geschirr im Wohnzimmer. Das steht da nur rum. Seine Gedichte sollen nicht so sein, die sollen direkt arbeiten, bei den Menschen ein bißchen das Leben aufdecken. „Ich als Worte-Schmied gebe ihnen lieber vor Ort, was ich zu geben habe, zum Beispiel im Hochsicherheitsgefängnis Long Kesh.“ Wenn er ein Stück geschrieben hat, sagt er, haben einige Schauspieler für drei Monate Arbeit. „Das ist doch was.“ Jürgen Francke
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