Schrittweise Gewöhnung an den Einsatz

■ Von der „Sonderaufgabe“ 1989 in Namibia bis zur regulären Beteiligung in der Adria

Die SPD hat in den vergangenen vier Jahren ihren anfänglichen Widerstand gegen die Beteiligung deutscher Soldaten an UNO-Missionen schrittweise aufgegeben. Auf dem SPD-Parteitag in Münster 1988 schmetterte noch eine große Mehrheit den Vorstoß einiger Bundestagsabgeordneter ab, durch eine Grundgesetzänderung den Einsatz deutscher Soldaten bei Blauhelm-Aktionen der UNO zuzulassen. Die Initiatoren um Norbert Gansel wollten damit das verfassungsrechtliche Verbot von Bundeswehreinsätzen außerhalb des Nato-Gebiets durch eine Grundgesetzänderung absichern und zugleich Blauhelm-Missionen zulassen. Schon damals befürchteten Parteilinke wie Horst Ehmke, die Debatte nütze nur den Konservativen als „erster Schritt zum out- of-area-Einsatz der Bundeswehr“.

Durch den Golfkrieg wurde die Diskussion um Einsätze der Bundeswehr außerhalb des Nato-Gebietes angeheizt. Die immer vehementer vorgetragene Forderung der Regierung, mit einer Grundgesetzänderung militärische Einsätze der Bundeswehr außerhalb des Nato-Gebietes zu ermöglichen, blieb nicht ohne Wirkung auf die SPD. Auf dem Bremer Parteitag 1991 machte die Partei eine Kehrtwendung. Mit überwältigender Mehrheit stimmten die Genossen für den Kompromißvorschlag einer Grundgesetzänderung für deutsche Blauhelme ohne Kampfauftrag. Eine Minderheit, darunter Norbert Gansel, Egon Bahr und Hans-Ulrich- Klose, hatte sich jedoch für militärische Einsätze der Bundeswehr unter UNO-Flagge ausgesprochen.

Die Bundesregierung verfolgte derweil eine Strategie der schleichenden Gewöhnung der Öffentlichkeit an out-of-area-Einsätze der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes (BGS) — zu humanitären Zwecken oder bei Friedensmissionen der UNO. Im April 1989 signalisierte der damalige Regierungssprecher Ost, die Bundesregierung sei seit geraumer Zeit bereit, sich an der Überwachung des Friedensprozesses in Mittelamerkika zu beteiligen. Gedacht wurde an den Einsatz von BGS-Beamten in Zivil als unbewaffnete UN-Beobachter oder als bewaffnete Mitglieder einer UNO-Friedenstruppe. Im September 1989 kamen dann tatsächlich erstmals deutsche Uniformträger im Rahmen eines UNO-Kontingents zum Einsatz, jedoch nicht in Mittelamerika, sondern in Namibia. 50 Bundesgrenzschützer unterstützten in der ehemaligen deutschen Kolonie die UNO-Friedenstruppe Untag. Es handle sich um eine „Sonderaufgabe“, spielte die Bundesregierung damals die Mission herunter. Doch sie blieb kein Einzelfall.

Im August 1991 entsandte der BGS 15 Beamte in die West-Sahara, wo sie im Rahmen der UNO-Friedensmission MINURSO den Waffenstillstand zwischen Marokko und der Befreiungsbewegung Polisario überwachen sollten. Im Mai 1992 machten sich 75 BGS-Beamte und 140 Sanitätssoldaten der Bundeswehr auf den Weg nach Kambodscha. Dies ist der bisher umfangreichste Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen einer UN-Mission. Die 140 Freiwilligen betreiben in der Hauptstadt Phnom Penh ein 60-Betten-Krankenhaus zur Betreuung der 22.000 UNO-Angehörigen. Die SPD stimmte dem Einsatz zu. Obwohl ihr Verteidigungsexperte Walter Kolbow feststellte, die Aktion überschreite den Rahmen humanitärer Hilfe und bewege sich damit in einer verfassungsrechtlichen Grauzone.

Das dürfte auch für den Einsatz der Uniformierten im Irak gelten, die derzeit als Teil des UNO-Teams mit deutschen Hubschraubern die Abrüstung des chemischen und nuklearen Waffenarsenals überwachen. Eindeutig humanitär ist dagegen der Einsatz des 24köpfigen Bundeswehr-Teams in Zagreb, das sich an der Luftbrücke nach Sarajevo beteiligt. Dorothee Winden