: Kampf um alte Schuhe
■ Private Sammelaktion ruft Unmut der Wohltätigkeitsverbände hervor
ruft Unmut der Wohltätigkeitsverbände hervor
Ihren Einstieg ins freie Unternehmertum hatten sich die beiden Hamburger Andreas Klug und Peter Jürgensen anders vorgestellt. Seit sie im September letzten Jahres anfingen, gebrauchte Schuhe einzusammeln und diese an eine Firma in Salzgitter zu verkaufen, tobt ein unterschwelliger Konkurrenzkampf mit einigen caritativen Einrichtungen der Hansestadt. Denn diese haben ihrerseits Verträge mit Firmen, die unter der Flagge der Wohltätigkeit neben alten Kleidungsstücken auch ausgelatschte Treter zusammentragen. Sowohl die Hilfsorganisationen als auch die Firmen profitieren davon. Schätzungsweise 100000 Mark pro Jahr nimmt beispielsweise das Hamburger Rote Kreuz (DRK) ein, erzählt Hans-Jürgen Friedeheim, beim DRK zuständig für das Sammelwesen.
Sechs hanseatische Organisationen — der Arbeiter Samariter Bund (ASB), der Malteser Hilfsdienst, das DRK, der Caritas-Verband, die DLRG sowie die Johanniter Unfallhilfe — lassen die Altonaer Ludwig- Melosch-Vertriebs-GmbH die allseits bekannte, wöchentliche Altkleidersammlung durchführen. Diese liefert die Klamotten und das Schuhwerk teils an die Kleiderkammern, wo Sozialhilfeempfänger oder Asylbewerber sich eindecken können, teils geht die Ware in den Weiterverkauf. Wohin, konnte bei der Firma Melosch gestern niemand sagen. Fest steht: An dem Erlös sind die caritativen Verbände beteiligt, so Christian Joost, Pressesprecher des ASB.
Schuhe spielen beim Verkauf eine wichtige Rolle, da diese der-
1zeit einen hohen Preis erzielen, wie DRK-Mitarbeiter Hans-Jürgen Friedeheim weiß. Die Johanniter Unfallhilfe arbeitet in Hamburg sogar mit einem Hannoveraner Unternehmen zusammen, das sich auf Knobelbecher spezialisiert hat, so Johanniter-Sprecher Werner Möhring. Der Gewinn werde geteilt.
Daß sich nun private Schuh- Sammler in den fest aufgeteilten Markt drängen, empfindet Möhring als nicht so gravierend. Die Spenden flössen weiterhin reichlich. Anders sieht das dagegen DRK-Mitarbeiter Friedeheim. Mit 20000 Mark Verlust pro Jahr rechnet er durch die Pantoletten-Abschöpfung der Jungunternehmer Klug und Jürgensen. Aber was noch viel schlimmer sei: Es gebe inzwischen zu wenig Laufwerk für Hamburgs Bedürftige. Zudem wirft er den beiden vor, einen guten Zweck vorzugaukeln sowie den Slogan der Umwelt-
1behörde abzukupfern „Hamburg macht eine Mülldiät“.
Tatsächlich wirbt das Duo Klug/ Jürgensen auf dem Deckel der überall in der Hansestadt zu findenden Plastikkästen mit diesem Spruch. Außerdem werden Spender darauf aufmerksam gemacht, daß ihre ausgedienten Latschen in der „Dritten Welt“ helfen. Doch ob sie wirklich dort ankommen, können die beiden nicht kontrollieren. Sie verkaufen an die Salzgitter Firma Kreuder, die die Ware weitervertreibt. „Die Hilfsorganisationen haben direkten Zugriff auf unsere Schuhe“, meint Andreas Klug und verweist darauf, daß Kreuder mit dem Salzgitter DRK zusammenarbeite. Er wirft vor allem dem DRK vor, bislang kein Gespräch über den Konflikt gesucht zu haben. Das soll sich ändern. Heute treffen Friedeheim und das Duo zusammen. Sigrun Nickel
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