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They are the sultans of swing

■ Die Dire Straits gaben in der Waldbühne ihr erstes von drei Konzerten/ Mark Knopfler, der Antiheld, sparte an jeder Bewegung/ 20.000 brothers and sisters

Berlin. Blaue Jeans, gelbes Hemd, blaues Stirnband, damit man die Halbglatze nicht so sieht, die die schütteren blonden Haare zersetzt. So steht Mark Knopfler, 42jähriger ehemaliger Englischlehrer und Chef der neunköpfigen englischen Band »Dire Straits«, im Rampenlicht der Waldbühne. Doch die Begeisterung der rund 20.000 Fans scheint an ihm abzutropfen wie der Schweiß. »It's very hot here«, sagt er einmal, »thank you«, sagt er dreimal und lächelt schüchtern, ansonsten spart er an jeder Geste und an jedem Wort. Nur zart tippt sein Fuß den Takt seiner virtuosen Gitarrensoli mit, und sanft säuselt sich seine sonore Stimme ins Unterbewußtsein. Mark Knopfler, der Antiheld. Es wirkt sympathisch, daß er anders als alle Rockstars bis heute nicht gelernt hat, auf der Bühne den Larry zu machen und die Gitarre symbolisch zu vergewaltigen. Das einzige Zugeständnis an die Massen und das eigene Ego: Am Anfang und am Ende steht er einsam im Lichtkegel, Arm und Instrument hochgereckt.

So ruhig wie er selbst, so ruhig und melodiös sind auch viele seiner Stücke. Bei den Hits »Romeo and Juliette« und »Brothers in Arms« tauchen die Beleuchter die Bühne in das lilablaue Licht der Romantik. Im bunt gemischten Publikum — von den Teenies aus Ost-Berlin bis zu den in Ehren ergrauten Apo-Opas, von biertrinkenden Proleten bis zu Yippie-Yuppie-Hurrahs — schwenken die brothers and sisters gerührt Wunderkerzen statt arms. Ein Luftballon mit zwei brennenden Kerzchen an seiner Strippe steigt in den Sonnenuntergang und platzt mit sanftem Zischen. Auch wenn die Woodstock-Zeiten sich gründlich erledigt haben und uns nichts mehr eint, die Dire Straits erinnern uns doch immer noch gemeinsam an unsere diffusen Sehnsüchtigkeiten und stellen uns einen Strauß blauer Blumen in das geheime Kitschecklein unserer Seele.

In ihrem zweistündigen Konzert inklusive dreier Zugaben mischen sie ältere und neuere Songs, »Telegraph road«, »Walk of Life«, »Private Investigation« und andere, damit ja alle was zum Mitsummen haben. Bei dem mit langen Soli ausgebauten »Sultans of Swing«, ihrem vielleicht genialsten Stück, swingt das gesamte Stadion mit, und die effektvolle Laserbeleuchtung tanzt einen vielfarbigen Reigen.

Die Wunderkerzen brennen und die Sanitäter rennen. Ein halbes Dutzend halb ohnmächtiger Frauen und Mädchen wird aus der wildwogenden Menge vor der Bühne gezerrt und auf Bahren abtransportiert. Dire Straits, »völlig ausgebrannt«, sind in diesem Augenblick nur sie. Ute Scheub

Die Dire Straits spielen heute noch einmal um 20 Uhr in der Waldbühne, Karten für stolze 61 Mark sind noch zu haben. Vorband ab 18.30 Uhr ist Was (Not Was).

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