China: Neun Jahre Haft für Reformer Bao Tong

Peking (AFP) — Zu neun Jahren Gefängnis verurteilte gestern das Pekinger Volksgericht den politischen Berater des 1989 abgesetzten KP-Chefs Zhao Ziyang. Die Anklage gegen den 59jährigen Bao Tong lautete auf „Verbreitung von Staatsgeheimnissen“ und „konterrevolutionäre Aktivitäten“. Nach Angaben seiner Verwandten wurden Bao darüber hinaus für zwei Jahre die Bürgerrechte aberkannt.

Seit dem Prozeß gegen die sogenannte Viererbande im Jahr 1980/81, der auch zu einer Verurteilung der Mao-Witwe Jiang Qing führte, war dies nach Ansicht von Beobachtern das wichtigste Gerichtsverfahren gegen einen hohen Funktionär. Bao Tong war seit 1987 politischer Sekretär des Ständigen Ausschusses des Politbüros der Kommunistischen Partei, gehörte dem Politbüro jedoch selbst nicht an. Zugleich leitete er das Institut für die Politische Reform, das der chinesischen KP unterstellt war. Das Institut entwickelte sich zu einem der einflußreichsten think tanks der Reformer um Zhao Ziyang, das sich auch für die Einführung demokratischerer Strukturen in der Partei selbst einsetzte.

BeobachterInnen verwiesen darauf, daß Bao offensichtlich als Sündenbock für seinen ehemaligen Vorsitzenden Zhao herhalten müsse. Der 73jährige Zhao war im Mai 1989 abgesetzt worden, nachdem er nach Ansicht der konservativen Kräfte um den Altpolitiker Deng Xiaoping zuviel Verständnis für die Protestierenden auf dem Platz des Himmlischen Friedens gezeigt hatte. Sein Berater Bao Tong wurde wenige Tage später festgenommen. Am frühen Morgen des 4.Juni schlug das Militär dann blutig zu.

Ein Prozeß gegen Zhao Ziyang, der seit seiner Absetzung gewissermaßen unter Hausarrest gehalten wurde, ist nach Ansicht politischer BeobachterInnen gegenwärtig nicht zu erwarten. Gerade jetzt, wo die Reformfraktion innerhalb der Partei sich gegenüber den konservativen Kräften zu behaupten scheint, kann dieses Urteil jedoch als Versuch der konservativen Kräfte gewertet werden, sicherzustellen, daß Zhao in absehbarer Zeit nicht wieder ans Ruder kommt.

Das Gebäude des Volksgerichtes in Peking war gestern morgen von mehreren Dutzend Polizisten abgeriegelt worden, ausländische JournalistInnen erhielten keinen Zutritt zu dem Prozeß. li