: Flüchtlinge in Bremer Gästezimmer
■ Viele spontane Hilfsangebote für Kriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina / Keine Zelte nötig
„Wir haben keine ideologischen Gründe und auch keine finanziellen Interessen. Wir sind einfach ganz betroffen. Es sollten jetzt möglichst viele etwas tun.“ So wie die Röntgenassistentin und Mutter zweier Kleinkinder in Kattenesch haben gestern über 35 BremerInnen gedacht und sich spontan beim Sozialsenator gemeldet, um eine Unterkunft für Flüchtlinge aus dem bosnischen Bürgerkrieg anzubieten. Es wären wohl noch weit mehr geworden, wenn die veröffentlichte Telefonnummer gestern durch die vielen Anfrufe nicht ständig besetzt gewesen wäre.
„Wir haben am Dienstag abend Tagesthemen gesehen und uns spontan dazu entschlossen, unser Gästezimmer für Flüchtlinge freizumachen“, berichtet ein anderer Anrufer, Uni-Mitarbeiter von Beruf. Zusammen mit seiner Frau, einer Zahnärztin, und den fünf Kindern bewohnt er ein größeres Haus, in dem zum Beispiel noch Platz für eine Mutter mit Kind wäre. „Es ist doch ungeheuerlich“, meint er, „da sind 2,5 Millionen Menschen auf der Flucht, und Deutschland will gerade mal 5.000 aufnehmen. Ich hoffe, daß sich so viele Leute melden, daß das schnell ad absurdum geführt wird.“
„Manche wollen sogar extra ein Kinder- oder Schlafzimmer für die Flüchtlinge freimachen“, freut sich der im Sozialressort für die Flüchtlingsunterbringung zuständige Referent Erhard Heintze, „aber es melden sich auch Vermieter, die gleich eine ganze Wohnung anbieten.“ Geschäftemacherei sei dabei fast nie im Spiel, spontane Betroffenheit und Hilfsbereitschaft dafür umso öfter.
Schließlich will die Sozialbehörde auch nur „im Ausnahmefall“ einen Mietzuschuß geben. Die Flüchtlinge haben allerdings, wenn sie keine eigenen Mittel mehr haben, Anspruch auf Sozialhilfe. Mit diesem Geld können sie sich auch an Miete und Haushaltskosten ihrer Bremer GastgeberInnen beteiligen.
Wenn sich heute noch einmal einige hilfsbereite BremerInnen melden, scheint eine Unterbringung der rund 50 dem kleinsten Bundesland zugewiesenen Bürgerkriegsflüchtlinge auch ohne Zelte oder Turnhallen möglich. Bremen wäre damit das einzige Land, das auf eine Massenunterbringung verzichten kann. Niedersachsen will dagegen alle 500 zugewiesenen Flüchtlinge im Grenzdurchgangslager Bramsche einquartieren.
Die Flüchtlinge, die gestern noch an der deutsch-österreichischen Grenze auf ihre Verteilung warten mußten, werden noch in dieser Woche in Bremen erwartet. Im Unterschied zu den albanischen „Kontingentflüchtlingen“, die vor zwei Jahren nach Deutschland kamen, werden die Bosnier kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erhalten. Sie bekommen lediglich ein Drei-Monats-Visum in den Paß und können Sozialhilfe beantragen, die der Bund ausnahmsweise zur Hälfte trägt.
„Die Menschen wollen ja wieder zurück, sobald die akute Kriegsgefahr vorüber ist“, meint Sozialamts-Referent Heintze, „bei den Albanern oder damals bei den vietnamesischen Boat-People war das anders; sie mußten auf unabsehbare Zeit hierbleiben.“ Deshalb wären sie auch sofort in feste Wohnungen vermittelt und mit Sprachkursen und Betreuung versorgt worden. Für die Bosnier ist so etwas nicht vorgesehen; auch ihre Kinder unterliegen zunächst nicht der deutschen Schulpflicht. „Bei diesen Flüchtlingen setzen wir jetzt auf den direkten menschlichen Kontakt“, so Heintze.
Die Röntgenassistentin und Mutter aus Kattenesch will das Gästezimmer mit zweitem Bad in ihrem Reihenhaus für eine Flüchtlingesfamilie räumen. „Ein Kind könnte dann noch mit in einem unserer Kinderzimmer schlafen“, meint sie. Bisher habe sie immer nur Geld gespendet, „aber das reicht jetzt nicht mehr“. Schließlich gäbe es ja auch keine Garantie, „daß wir als Familie nicht irgendwann einmal selber betroffen sein könnten.“ Dirk Asendorpf
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