Panter Workshop Nr. 24: Neid

Neid hat keinen guten Ruf. Zu Recht? Der Frage gehen 20 NachwuchsjournalistInnen beim nächsten Panter Workshop nach.

Neid – Ist manchmal auch nur der Wunsch nach gerechter Verteilung Bild: Robin Cristofari (dpa)

von Paul Wrusch

20 junge NachwuchsjournalistInnen produzieren vier Tage lang vier Sonderseiten für die taz. Sie debattieren, recherchieren, schreiben eigenverantwortlich in der Redaktion der taz und werden dabei von RedakteurInnen unterstützt. Ihr Thema dieses Mal: Neid

Die Kollegin hat schon wieder den Journalistenpreis gewonnen, obwohl der Text doch gar nicht so gut war. Der Bruder hat mittlerweile das dritte Kind und der Hauskredit ist bald abbezahlt, du sitzt in deinem WG-Zimmer und bist Single. Die beste Freundin hat beim Italiener das eindeutig bessere Dessert gewählt. Der alte Schulfreund ist mittlerweile Pilot und postet ständig Fotos von den Malediven, während du deinen letzten Urlaub in Brandenburg nach vier Tagen Regen abgebrochen hast.

Kein guter Ruf

Manchmal will man platzen vor Neid. Wie können die alle nur so viel Glück haben? Was habe ich falsch gemacht? ICH WILL DAS AUCH! Gefühle, die jeder kennt, über die aber kaum jemand gerne spricht. Denn wer zugibt, neidisch zu sein, ist raus aus der Debatte. Neidische Menschen mag niemand. Denn Neid gilt als negativ, zählt gar zu den sieben Todsünden.

Dabei ist Neid per se nichts Negatives. Nur wenn er in Missgunst umschlägt, man also dem Gegenüber etwas nicht gönnt, beziehungsweise der Neid befriedigt werden kann, indem der Gegenüber das Beneidete verliert, fällt es schwer, ihm Positives abzugewinnen.

Neid kann treibende Kraft sein

Und ist Neid überhaupt immer Neid oder nicht vielmehr manchmal der Wunsch nach Gerechtigkeit. Wenn ein Hartz IV-Empfänger neidisch ist auf die Millionenboni von Spitzenmanagern, ist das dann „Sozialneid” oder Gerechtigkeitssinn? Letztlich lässt sich kaum eine Errungenschaft von sozialen Bewegungen, seien es Frauen, Homosexuelle oder Arme, ohne „konstruktiven Neid” erklären. Denn dieser Neid kann treibende Kraft sein, bestehende Verhältnisse verändern zu wollen.

Neid ist also nicht nur Privatvergnügen, sondern kann äußerst mächtig sein und hat damit eine politische Dimension: „An Neid zerbrechen Familien, Neid stürzt Regierungen, Neid schafft Revolutionen. Neid bringt einen Donald Trump ins Amt, Neid kann Kunst sein und Ungerechtigkeit aufzeigen. Neid befeuert Religion und Politik, schafft Fortschritt und behindert ihn.” Das schrieb die Autorin Ronja von Rönne kürzlich in ihrer Kolumne für Zeit Online. Recht hat sie. Und gerade in jüngster Zeit spielt Neid wieder eine große Rolle in der politischen Debatte. Der Erfolg der AfD wäre kaum denkbar, ohne dass die Partei ständig mit Neid argumentiert, um ihre AnhängerInnen gegen Geflüchtete aufzubringen.