: Kolumbiens Drogenboß verlegt den Geschäftssitz
■ Pablo Escobar bricht aus seinem Luxusgefängnis aus, um die Kontrolle über das Medellin-Kokainkartell nicht zu verlieren
Bogota (AP/AFP) — Kolumbiens Drogenboß ist weg. Pablo Escobar, Chef des berüchtigten Kokain-Kartells von Medellin, brach am Mittwoch mit neun Komplizen aus seinem Luxusgefängnis aus und ist nicht wieder aufgetaucht.
Escobar und vierzehn Mithäftlinge, die sich bisher in einer eigens für sie errichteten, mit viel Komfort ausgestatteten Haftanstalt bei Escobars Heimatstadt Envigado befanden, sollten am Dienstag abend in ein Militärgefängnis verlegt werden. Der Grund: Escobar habe aus seiner Zelle Befehle für Morde und Folterungen erteilt. Er steuere aus dem Gefängnis den Drogenhandel weiter, mit Hilfe des Gefängnispersonals. Dies sei Teil eines erbitterten Kampfes um die Kontrolle über das Medellin-Kartell gewesen, dessen neue Führung versucht habe, sich 200 Millionen Dollar aus Escobars Vermögen anzueignen.
Escobar, so die amtliche Darstellung weiter, widersetzte sich der Verlegung: Er und die Mithäftlinge hätten die Wachmannschaften überwältigt, ihre Waffen an sich gebracht und drei Regierungsbeamte als Geiseln genommen — darunter den stellvertretenden Justizminister Eduardo Mendoza und den Chef der Gefängnisverwaltung, Hernando Navas. In der Nacht umstellten 400 Soldaten die Anlage, im Morgengrauen drang ein Stoßtrupp ein, und es kam zu einem heftigen Feuergefecht. Die Regierung gab später an, zwei Vollzugsbeamte seien getötet worden, in Rundfunkberichten war von sechs Toten die Rede.
Die Soldaten konnten die Geiseln befreien und fünf Häftlinge festnehmen. Doch Escobar und neun Begleiter waren verschwunden. Soweit die Darstellung des kolumbianischen Präsidenten Cesar Gaviria.
Gaviria bestritt am Mittwoch abend in einer Fernsehansprache den Verdacht, Escobar sei im Auftrag der USA entführt worden, und bat den Drogenboß, sich den Behörden wieder zu stellen. Die Regierung sei auch weiterhin entschlossen, Rauschgifthändler im Lande vor Gericht zu bringen. „Selbst wenn wir Escobar nicht bald finden, wird sich die Politik einer Übergabe an die Justiz nicht ändern.“ Früher waren mutmaßliche Drogenbosse in die USA ausgeliefert worden. Auch gegen Escobar sind in Miami und in Tampa im US-Staat Florida Strafverfahren eingeleitet worden.
Als Antwort baten Escobars Frau und eine seiner Töchter im Fernsehen um „Verständnis“ für Escobars Situation und riefen Gaviria zu „Besonnenheit und Vernunft“ auf. Escobar strebe wie alle Kolumbianer ein „Vaterland voller Herzlichkeit“ an. Frau Escobar forderte die Intervention internationaler Orgnisationen, um die Rechte ihres Mannes zu sichern. Tochter Manuela rief ihrem Vater zu: „Ich flehe dich an, komme zurück. Ich wünsche mir, daß alle Kinder in Kolumbien einen Papa haben und wir in einem friedlichen Land glücklich sein können.“
Als sich Escobar, der zu den reichsten Menschen der Welt zählt, im Juni 1991 der Justiz stellte, galt dies als großer Erfolg des Staates. Escobar konnte für seine Haft Bedingungen stellen, erhielt die Zusage einer milden Behandlung vor Gericht. Das eigens für ihn und seine Komplizen gebaute Gefängnis enthielt eigene Bäder für die Häftlinge, große Aufenthaltsräume und selbst ein Spielzimmer. Senatspräsident Jose Blackburn sagte am Mittwoch, alle Wachbeamten in dem Gefängnis hätten auf Escobars Gehaltsliste gestanden. Sie hätten sogar zugelassen, daß Rivalen von Escobar in das Gefängnis gebracht und dort „zum Tode verurteilt“ worden seien.
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