"Noch ist St.Pauli nicht verloren"

■ FC St. Pauli: 3:1 Niederlage gegen Aufsteiger Wuppertaler SV / 2000 mitgereiste Fans skandierten: "Wir sind zu doof"/Trainer Michael Lorkowski gab ihnen recht/Chaos in der Abwehr, Langeweile im Sturm

/ 2000 mitgereiste Fans skandierten:

„Wir sind zu doof.“ / Trainer Michael Lorkowski gab ihnen recht / Chaos in der Abwehr, Langeweile im Sturm

„Noch“, sprach Heidi Weisener, „noch ist St.Pauli nicht verloren.“ Lange Jahre leiderprobt und der Hoffnung niemals bar hielt sie sich wacker, die Präsidentengattin. Und das just als das 3:0 für den Wuppertaler SV gefallen und die erste Saisonniederlage des FC St.Pauli besiegelt war. Kopfschüttelnd zwar, aber weiter entspannt kaugummikauend wußte Heidi Weisener dem nach drei Niederlagen siegestrunken spottenden Wuppertaler Tribünenpublikum noch mitzuteilen, daß „wir schon schlimmeres erlebt haben: wir haben auch schon mal 1:7 verloren.“

Daß es dazu an der Großbaustelle „Stadion am Zoo“ nicht kam, war reine Glückssache - was die fehlenden vier Treffer der Gastgeber anbelangte. Ein einziger klitzekleiner St.Paulianischer Ehrentreffer allerdings wäre ein Wunder gewesen. Offensive? Mit Manzi, Aerdken, am Ende gar mit Ottens? Durchblick zeigte da allein der 2000 Mann und Frau starke Anhang aus Hamburg: „Wir sind zu doof.“

Wie läßt sich Doofheit erklären? St.Paulis Trainer versuchte sich zunächst mit Redundanz: „Die Mannschaft hat sich schlecht verkauft.“ Dann mit Selbstkritik: „Nicht nur die Mannschaft hat Fehler gemacht, ich war auch schlecht.“ Und Michael Lorkowski, der Mann, der bis dato nach merkwürdig herrischem Belieben - hire and fire - die Stammspieler zu Bankdrückern und umgekehrt zu machen pflegte, beichtete Aufstellungsfehler. Namentlich, daß er nie und nimmer auf Bernhard Olck hätte verzichten dürfen, „der hat die rechte Seite bisher immer dicht gemacht.“ Nun ist bei allen Olckschen Qualitäten fraglich, ob der bullige Blondschopf die heillose Hilflosigkeit der Seinen auch nur hätte mildern können. Denn was Lorkowski in kultivierter Höflichkeit „Probleme im Abwehrbereich“ nannte, war ein geradezu manisch-

depressiver Ausbruch des Karnickel-trifft-Adler-Syndroms. Ein 90 minütiges Abtauchen vor Abwehraufgaben und Angriffsversuchen frei nach der Opfermentalität: Wuppertaler nehmt Euch die Räume, anektiert die Räume und den Ball - aber tut uns nicht weh!

Überraschend lange brauchten die Wuppertaler zwar, um das Gastgeschenk zu begreifen, dann aber nahmen sie es dreimal zählbar an. Dreimal schlicht vom Flügel geflankt, dreimal erwartungsvolle

Männer in Fünf-Meter-Raum-Nähe postiert, dreimal den Ball ins Netz gedroschen. In der 20. Minute legte Hwang von links für Glavas auf. Die recht anständig von Thomforde abgeklatschte Parade nutzte Hartwig zum 1:0. Als 18 Minuten später der junge Herr Pröpper wiederum von links flankte, waren die St.Paulianer schon derart auf den Fortgang konditioniert, daß sich gar niemand mehr rührte; weshalb dem für den zwischenzeitlich umgenieteten Hwang eingewechselten

Klein das Tor zum 2:0 auch etwas billig vorgekommen sein mag. Und schließlich war es Hartwig in der 58. Minute vergönnt, von rechts in den Strafraum zu flanken, wo Michael Tönnies zum Vollstrecken des 3:0 bereitstand. Ein Schuft, wer fragt, wo des „Dicken“ Bewacher Schwinckendorf sich gerade aufhielt. Schließlich hatte Tönnies eine knappe Stunde lang sehr überzeugend so getan, als wolle er an diesem sonnigen Sonnabend nicht auch noch in schweißtreibende An-

fsaktivitäten verfallen. Soweit, so traurig das Gastspiel an der Wupper. Muß man nun über die Wuppertaler Häme grübeln, die da verkündete, St.Pauli sei definitiv der erste Abstiegs(!)-Kandidat? Heidi Weisener - leiderprobt und der Hoffnung niemals bar - muß es wissen. Und sie sprach trotzreich und mit mathematischer Gewißheit: „Wir haben noch 41 Spiele auf dem Buckel - noch ist St.Pauli nicht verloren.“

Katrin Weber-Klüver