: Geduldiges Video
■ Vom Bildschirm nichts Neues: Künstlervideos im »Friseur« der »Botschaft e.V.«
Für Kunstfreunde hielt der »Friseur« der »Botschaft e.V.« am vergangenen Wochenende einen besonderen Leckerbissen parat. Angekündigt waren zwischen 1971 und 1992 entstandene Videos der documenta IX-TeilnehmerInnen Dara Birnbaum, Gary Hill, Tony Oursler und Bill Viola. So zumindest stand es auf dem Papier.
Aber Papier ist geduldig, und Videobänder sind es offenbar auch. Seit Anfang der Siebziger experimentieren KünstlerInnen mit diesem Medium. Das Manko liegt dabei auf der Hand: Die großen Geschichten erzählt wie eh und je das Kino, die kleinen laufen täglich 24 Stunden lang über MTV. Eine Nische für die Kunst zu finden, fällt schwer, zumal Video den übrigen Künsten gegenüber einen entscheidenden Nachteil hat: Es produziert keine materiell komplexen Gebilde, die Betrachter sitzen einfach vor dem (zweidimensionalen) Fernseher. Was auf dem Bildschirm passiert, muß sich damit erst einmal gegen dessen Macht behaupten. Außerdem: kaum ein Bild, das nicht schon gesendet worden wäre. Effekthascherei ist die Folge und Langeweile.
Davon machte das im Friseur vorgestellte sechsteilige Programm keine Ausnahme. Freitag abend verließen entnervte ZuschauerInnen vorzeitig die Werkschau Tony Ourslers, tags darauf strapazierte Gary Hill die Aufnahmefähigkeit des geneigten Publikums. Zu Anfang präsentierte der 1951 geborene, in Seatlle lebende Künstler die Vorlesung seiner persönlichen Philosophie, deren Formulierungen zwischen Tagebuchniveau und Schulaufsatz schwankten. Dazu drehte sich ein weißer Balken unablässig auf der Bildröhre. Im Grunde eine Zumutung.
Es folgte ein 45minütiger, extrem banaler Film über die Wechselwirkung von gedrucktem Wort und bildlicher Assoziation — Tenor: Bücherlesen kann gefährlich sein. Zum Schluß kam die »videographische Ortsbegehung« (Info) »Site — Recite. (A Prologue)«, bei der zu Landschaften arrangierte Gegenstände abwechselnd in Nah- und Fernsicht abgelichtet worden waren. Eine Leistung, die man sich auch als Resultat des Videokurses der Charlottenburger Volkshochschule vorstellen könnte.
Allein Bill Viola fiel durch ein paar nette Einfälle aus der Reihe. »Space between the Teeth« oder »Silent Life« mit seinen Aufnahmen von Neugeborenen in einem New Yorker Kreißsaal sind kleine Meisterwerke und hoffentlich bald wieder zu sehen. Wünschenswert wäre es dann allerdings, die Videobänder in besserer Qualität zu bekommen. An beiden Tagen waren nur Kopien von Kopien vorhanden, wofür billigerweise die Deutsche Bundespost verantwortlich gemacht wurde, und nicht die eigene schlampige Vorbereitung. Ulrich Clewing
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