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Deutsche Firmen-Labels im Zoom

Während ein deutsches Gericht mit Bonn über das Aussagerecht deutscher UNO-Inspektoren streitet, können Japans TV-Zuschauer einen Blick in das Innenleben von Saddams Giftgasküchen werfen  ■ Von Thomas Scheuer

Seit Ende April dieses Jahres schleppt sich vor dem Landgericht Darmstadt der Strafprozeß gegen verantwortliche Manager der hessischen Firma Karl Kolb und deren Tochterfirma Pilot Plant hin. Die Anklage wirft ihnen vor, illegal Komponenten für eine Giftgasanlage in den Irak exportiert zu haben. Die Exporteure jedoch wollen Saddams Chemiker nur mit Technologie zur Herstellung von Schädlingsbekämpfungsmitteln bedient haben.

Zwar gibt es durchaus fachkundige Zeugen, die dem Gericht aus eigener Anschauung über den strittigen Chemie-Komplex Muthana berichten könnten: Deutsche UNO-Inspektoren nämlich, die zusammen mit Kollegen aus anderen Ländern Muthana, nahe der irakischen Stadt Samarra gelegen, untersucht haben. Doch denen verweigert die Bundesregierung bislang die Aussagegenehmigung. Sehr zum Verdruß des Vorsitzenden Richters Alfred Pani.

Japans Fernsehzuschauer haben es da besser: Sie konnten jetzt in einem einstündigen Dokumentarfilm der Fernsehgesellschaft NHK erstmals aktuelle Originalaufnahmen aus Saddam Husseins topgeheimer Giftgasküche sehen. Der Film bestätigt: Das Herzstück der Chemiewaffenfabrik trägt das Gütesiegel „Made in Germany“.

Das fast 15 Quadratkilometer umfassende Muthana-Areal besteht aus fünf Komplexen: Einem Lagergelände, das die UNO-Inspektoren ironisch „international container-area“ nennen — wegen der unzähligen Fässer aus aller Herren Länder, die dort rumliegen. Verblichene Aufkleber auf rostenden Fässern weisen als Lieferländer Indien, Japan, Großbritannien, Frankreich und die USA aus. Immer wieder zoomt die NHK-Kamera auch auf den Schriftzug: „Country of Origin: Fed. Rep. of Germany“. In Großaufnahme wird das Label des deutschen Chemiemultis Degussa ins Bild gerückt.

Nicht weit von dem Fässer-Acker liegt die Produktionsanlage für den Kampfstoff Senfgas. Sie wurde bei einem US-Angriff total zerstört, ebenso eine daneben liegende kleine Bunkeranlage. Ebenfalls völlig zerbombt wurde die abseits gelegene Abfüllstation. Dort wollen die UNO- Experten jetzt eine Verbrennungsanlage zur Vernichtung der Kampfstoffreste errichten.

Im Zentrum des riesigen Geländes befindet sich, von drei Luftabwehrstellungen umgeben, ein riesiger, unterirdisch verbunkerter Laborkomplex. Von außen lassen nur Abluftschächte auf ein Innenleben der Erdaufschüttung schließen. Im Gegensatz zu den anderen Muthana- Anlagen ist dieser Laborkomplex von den Bombardements völlig verschont geblieben. „Als ob die Amis die Anlage hinterher vorführen wollten,“ meint ein UNO-Mann. Den Experten ist auf den ersten Blick klar, für welchen Zweck hier produziert wurde, nicht nur wegen der herumliegenden Flugzeugbomben-Behälter und Granathülsen. Und: Ihrer Meinung nach hätten die Lieferanten den Zweck der Anlage leicht erkennen müssen. Auf dem Schaltkasten der zentralen Steuerungsanlage prangt unübersehbar der weiss-blaue Plastikkleber des Generallieferanten: „Pilot Plant“.

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