: Schwarze Unternehmer nach Südafrika
„Brain drain“ aus Simbabwe und anderen Staaten des südlichen Afrika/ „Dort ist es einfacher als hier“ ■ Aus Harare Willi Germund
Die 31jährige Emilia will ihren Job als Journalistin bei Simbabwes Nachrichtenagentur Ziana an den Nagel hängen. „Ich möchte neue Sachen ausprobieren“, sagt sie — und die junge Frau weiß auch schon wo. Ihr Traumziel ist Kapstadt. Strive Masiyiwa schildert ihre Erfahrungen im Kreis schwarzer Unternehmer in Simbabwe: „Ich frage nach irgendjemandem und erhalte immer häufiger als Antwort: Der verbringt die meiste Zeit jetzt in Johannesburg.“ Schwarze Unternehmer und Akademiker aus Simbabwe zieht es seit etwa einem Jahr in Scharen an das Kap der Guten Hoffnung.
„Ausgebildete Leute auf der Suche nach saftigeren Weiden“, betitelte The Herald, Simbabwes größte Tageszeitung, Mitte Juni einen Bericht über den brain drain Richtung Süden.
„Bis vor einem Jahr ging alles nach Botswana“, erzählt Masiyiwa, „jetzt ist Johannesburg der heiße Tip.“ Mit der Abschaffung der Apartheid-Gesetze gelten in Südafrika nun die Gesetze der freien Marktwirtschaft auch für Schwarze.
„Dort ist es einfacher als hier, ein Geschäft aufzuziehen,“ sagt Masiyiwa. Er zeigt auf die Rechnung für ein Auto in Höhe von umgerechnet 45.000 Mark und betont: „Den habe ich kaufen müssen, um einen jungen Ingenieur zu halten. Sonst wäre der auch schon in Richtung Südafrika unterwegs.“ Die Gehälter in Simbabwe sind so niedrig, daß die eigenen Ersparnisse ohne Zuschuß des Arbeitgebers nie für einen fahrbaren Untersatz reichen würden. Enock Kamushinda, Manager von „Beever Steel Works“ in Harare, weist auf einen anderen Grund für die Abwanderung: „Südafrikas Apartheid verhinderte die Ausbildung von Schwarzen. Jetzt brauchen die Betriebe für ihr neues Image Schwarze in höheren Positionen — und die Leute finden sie hier in Simbabwe.“
Simbabwe hat sich unter großen finanziellen Opfern ein vergleichsweise hervorragendes Bildungssystem erhalten. Davon wird jetzt Südafrika profitieren, das seit den fünfziger Jahren Schwarzen systematisch Bildungsmöglichkeiten versagt hatte. Doch die Entwicklung wird in der Zukunft auch Schwierigkeiten bringen: Der Konflikt zwischen Simbabwern und Südafrikas Schwarzen in Konkurrenz um mittlere und gehobene Positionen dürfte damit vorprogrammiert sein. Darüber hinaus wird die Anziehungskraft noch größer werden, sollte sich Südafrika — wie vielfach erwartet — tatsächlich noch stärker als regionaler Wirtschaftsfaktor entwickeln.
Dabei sind die Folgen für ein Land wie Simbabwe in einigen Bereichen schon jetzt kaum noch zu verkraften. An der Universität des Landes haben 500 ÄrztInnen seit 1980 graduiert — 448 gingen im gleichen Zeitraum ins Ausland, davon 200 allein im Jahr 1991. Der Mediziner Peter Mbizvo sagt: „In unseren Krankenhäusern ist der Betrieb zum Teil nur noch mit Mühe aufrechtzuerhalten.“
Laut Simbabwes Gesundheitsministerium verdient ein Oberarzt etwa 9.200 US-Dollar im Jahr. Im Nachbarland Botswana sind es 13.500 US- Dollar, in Südafrika noch mehr. Auch an der Universität von Simbabwe lichten sich die Reihen. Ende 1991 gab es dort 68 freie Stellen. Davon konnten bisher nur 23 besetzt werden. In Sambia führte eine ähnliche Entwicklung dazu, daß komplette Abteilungen geschlossen werden mußten.
Doch nicht nur Simbabwe und Sambia leiden unter der Anziehungskraft Südafrikas. Mobutus plündernde Regierung hat viele Geschäftsleute aus Zaire nach Johannesburg getrieben. Selbst aus Ghana zieht es schwarze Unternehmer ans Kap. Manager Enock Kamushinda sieht zwar die Probleme, die der brain drain für Simbabwe verursacht, ein Gegenmittel fällt ihm jedoch nicht ein: „Südafrika stiehlt zwar gegenwärtig die von uns ausgebildeten Fachkräfte“, sagt er allerdings in einem Anflug von Galgenhumor, „aber dafür bilden sie schwarze Unternehmer aus, die irgendwann wieder hierhin zurückkommen werden.“
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