piwik no script img

Gemeinden können nicht mehr zahlen

■ Noch schnellere Asylverfahren gefordert/ „Nicht mehr kalkulierbare Kostenrisiken“ befürchtet

Bonn (dpa) — Die Kommunen verlangen noch schnellere Verfahren zur Abschiebung von Asylbewerbern, obwohl das Beschleunigungsgesetz erst zum 1. Juli 1992 in Kraft getreten ist. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte Bund und Länder am Montag auf, die Verfahren gegebenenfalls durch eine Gesetzesnovelle nachzubessern. Angesichts des Andrangs von Asylbewerbern — für 1992 rechnet der Gemeindebund mit rund 400.000 und damit doppelt so vielen wie 1991 — fordern die Kommunen eine stärkere Übernahme der Kosten durch die Länder „und vor allem durch den Bund“. 1991 betrugen die Ausgaben für die Asylbewerber rund acht Milliarden Mark. Jetzt müsse ein Bundesleistungsgesetz geschaffen werden, da es sich um eine gesamtstaatliche Aufgabe handle. Der Gemeindebund fordert die Länder auf, von Abschiebungen tatsächlich Gebrauch zu machen.

Auch in anderen Bereichen ist die finanzielle Lage der Kommunen so besorgniserregend, daß der Deutsche Städte- und Gemeindebund Bund und Länder eindringlich zu einem neuen Finanzausgleich mit den Kommunen auffordert. Städte und Gemeinden müßten einen Teil ihrer freiwilligen Leistungen, zum Beispiel die Unterstützung von Vereinen, einstellen, teilte der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Hans Gottfried Bernrath, mit. Auch der schulische Bereich soll von den Kürzungen betroffen sein. „Große Haushaltsprobleme“ für die Kommunen sieht Bernrath infolge der deutschen Einheit, des Steuergesetzes 1992, neuer sozialer Verpflichtungen und wegen der „ungeklärten Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs“.

Zu nicht mehr kalkulierbaren Kostenrisiken zähle der vom Bund jetzt beschlossene Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Einschließlich des Teilbedarfs an Plätzen für Kinder unter drei und über sechs Jahren belaufen sich die Kosten nach Angaben der Gemeinden auf insgesamt über 60 Milliarden Mark. Hinzu kämen im Endstadium Betriebskosten von 4,2 Milliarden Mark. Das Bonner Gesetzesvorhaben, diesen Rechtsanspruch flächendeckend ab 1996 wirksam werden zu lassen, werde nicht zu verwirklichen sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen