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Dioxin: Aus deutschen Landen frisch auf den Tisch

■ Kühe und Schafe dürfen weiter auf kontaminierten Deichen weiden / Lauenburger Dioxin-Gutachten wird geheimgehalten

1å „Legen Sie die dioxinverseuchten Elbdeich-Weideflächen sofort still“, fordert die schleswig-holsteinische Initiative „Eltern für unbelastete Nahrung“ von Landesumweltminister Berndt Heydemann. Der Minister hatte Ende vergangener Woche in Kiel eine erschreckende Dioxinstudie vorgelegt: Nach den Messungen seiner Behörde wird die zulässige Bodenbelastung mit dem Ultragift im Elbdeichvorland zwischen Lauenburg und Brunsbüttel an vielen Stellen weit überschritten.

Die Umwelt-Chemiker ermittelten Spitzenbelastungen der Weideflächen von bis zu 265,6 Nanogramm (NG) Dioxin pro Kilo Erde. Nach den Richtlinien des Bundesgesundheitsamtes sollen bereits ab einer Konzentration von 40 Ng die Nutztierhaltung und der Anbau bodennaher Obst- und Gemüsearten sowie Feldfutterpflanzen unterbleiben. Die Horror-Ergebnisse blieben aber ohne konkrete Folgen: Heydemann empfahl den Landwirten lediglich, ihr Vieh nicht mehr auf den belasteten Deichen weiden zu lassen und kündigte weitere Messungen der betroffenen Nahrungsmittel an. Marion Lewandowski von „Eltern für unbelastete Nahrung“ dazu: „Bis diese Ergebnisse vorliegen, muß das Ministerium ein Weideverbot erlassen.“ Das Umweltministerium kontert hingegen: „Dazu haben wir keine rechtliche Handhabe.“

Deshalb befürchtet das Ministerium Regreßansprüche in Millionenhöhe von den betroffenen Bauern. Karl Eigen, Präsident des schleswig- holsteinischen Bauernverbandes kündigte bereits an, daß er im Falle einer Flächenstillegung „einen vollen Ausgleich“ für die entgangenen Einnahmen einklagen werde. Weidestillegungen seien „unverhältnismäßig“, so der Agrar-Lobbyist, da bei den Untersuchungen der „in der Elbmarsch erzeugten Milch keine Dioxinbelastungen festgestellt“ worden seien.

Die aber bringt eine andere Analyse ans Tageslicht: Nach einem Großbrand in der Lauenburgischen Textilwäscherei MEWA Ende Juni ließ das Herzogtum im Ausbrei-

1tungsgebiet der Rauchfahne Kuhmilchproben auf Schadstoffe hin untersuchen. Nach Informationen der taz wurden in einer der gezogenen Proben Spitzenwerte von etwa 5 Piktogramm Dioxin pro Gramm Milchfett ermittelt — einer der höchsten je gemessenen Konzentrationen des Ultragifts. Nach Auffassung von Experten kann diese Milchverseuchung nicht alleine durch die Brand-Emissionen zustande gekommen sein. Obwohl die Untersuchungsergebnisse seit über einer Woche in Ratzeburg vorliegen, werden sie bislang von der Behörde geheimgehalten. Das Kreisgesundheitsamt kündigte lediglich an, am heutigen Mittwoch erste Bewertungen der Giftanalyse zu veröffentlichen. Marco Carini

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