: Denn sie wissen, was sie tun...
■ Die neuen RAF-Verfahren gefährden die Kinkel-Initiative
Denn sie wissen, was sie tun... Die neuen RAF-Verfahren gefährden die Kinkel-Initiative
Politisches Feingefühl war selten die Stärke der Karlsruher Bundesanwaltschaft. Deren oberster Chef Alexander von Stahl bewies dies eindrücklich, als er jüngst freudestrahlend den Kronzeugen Siegfried Nonne präsentierte, der angeblich einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung des Mordes an Alfred Herrhausen liefern konnte. Der Kronzeuge wurde indessen schon bald demontiert. Erst erwies er sich als Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, dann als psychisch wie physisch labiler Kantonist — am Ende entpuppte er sich als simpler Lügner. Der Fall Nonne war eine peinliche Bauchlandung für die Strafverfolger. Der Wille aber, an den neuen Verfahren gegen schon verurteilte RAF-Gefangene festzuhalten und sie — wie bei Klar, Boock und Jacobsmeier geschehen — erneut vor Gericht anzuklagen, ist eine politische Dummheit. Nach 22 Jahren Anschlägen und Attentaten hat die RAF erstmals ihren Gewaltverzicht erklärt und das von Ex-Bundesjustizminister Klaus Kinkel ausgesandte Signal für eine Aussöhnung des Staates mit den Terroristen aufgegriffen. Das traurige Kapitel des Deutschen Herbstes ließe sich zu einem Ende bringen. Wäre da nicht die Reaktion der Bundesanwaltschaft: Sie legt mächtige Steine in den schmalen Weg.
Zwar werden die Bundesanwälte sagen, sie seien an das Legalitätsprinzip gebunden. Demzufolge seien die Täter nach neuesten Erkenntnissen — die man den Aussagen verschiedener RAF-Aussteiger entnahm — den Gerichten zu überstellen. Der Sinn dieser „Sekundärverfahren“ erschließt sich trotzdem nicht. Denn was soll es bringen, Boock, Klar, Wagner und Schulz, die bereits zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, noch einmal mit diesem höchstmöglichen Strafmaß zu belegen? Der Verweis ist zudem nicht schlüssig. Der Gesetzgeber hat der Anklagebehörde ausdrücklich die Möglichkeit gegeben, in solchen Fällen von einer weiteren Strafverfolgung absehen zu können. In der Diskussion um die „Kinkel-Initiative“ hat die Karlsruher Behörde immer wieder betont, daß es keine „Sonderbehandlung“ der RAF-Gefangenen geben dürfe. Aber lebenslänglich Verurteilte noch einmal lebenslang verurteilen lassen zu wollen — was ist dies, wenn nicht Sonderbehandlung?
Daß auf Betreiben Karlsruhes der RAF-Aussteiger Boock zusammen mit Christian Klar, den die Bundesanwälte als Hardliner betrachten, auch noch die gleiche Anklagebank drücken soll, ist keinem mangelnden Fingerspitzengefühl zuzuschreiben. Es ist späte Rache an Boock, der sich vor Jahren zwar wortgewaltig von der RAF abwandte, sich aber dennoch geweigert hat, seine Mittäter zu benennen. Damit ist die Bundesanwaltschaft auf dem besten Weg, den mühsam in Gang gekommenen Aussöhnungsprozeß zu torpedieren. Wolfgang Gast
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