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Komitees spalten Grüne

Über die politische Wirksamkeit der „Komitees für Gerechtigkeit“ läßt sich sicher streiten, ihre Zukunft nicht vorhersagen. Interessant sind allerdings die Nebeneffekte der Komiteegründungswelle. Da ist einmal die große Empörung der etablierten Bonner Parteien, die tagtäglich durch die Medien hallt. Weniger bekannt ist der unerwartete Effekt, der bei Grünen und Bündnis 90 ausgelöst wurde. Empört reagiert auch das Bündnis, obwohl sich die Komiteeidee doch eigentlich nur wenig von den „Runden Tischen“ der Bürgerbewegung unterscheidet. Völlig gespalten präsentieren sich die Ost- Grünen: Je ein Bundesvorstands- bzw. Bundestagsgruppenmitglied von zweien dafür, eins dagegen. Der Landesvorstand Mecklenburg- Vorpommern dafür, einzelne aus anderen Landesvorständen ebenfalls, andere signalisieren krasse Ablehnung. Der Riß setzt sich bis in die Ost-Kreis- und Ortsverbände der Grünen fort. Irritiert reagiert der ohnehin nur noch von der Substanz „fundamentalistischer“ Hinterlassenschaft zehrende Bundesvorstand der Grünen: Angesichts so starker Komiteebegeisterung bis in die eigenen Reihen kann er nicht die Ausschlußkeule schwingen, ohne erheblichen Flurschaden bei den Ost-Grünen anzurichten. Andersherum bringt größere grüne Beteiligung an den Komitees den Fusionspartner Bündnis 90 auf die Palme, der sich vielleicht schmollend zurückzieht. Egal wie sich der Bundesvorstand entscheidet: Der für die nächste Bundesstagswahl anvisierte Sprung über die Fünfprozenthürde — einzig verbliebener grüner Politikinhalt — ist in Gefahr.

Die Komitees könnten als Nebeneffekt die politischen Konstellationen im Osten völlig verändern und die politischen Karten neu mischen — auch in Westdeutschland. Sicher geglaubte Bataillone für die West- Grünen schwanken, und das mittlerweile zum parlamentsfixierten Honoratiorenverein verkommene Bündnis 90 könnte seine ohnehin schrumpfende Basis verlieren. In den nächsten zwei Jahren bis zur Bundestagswahl kann noch viel passieren, besonders wenn die Komitees lange leben oder gar zu Wahlbewegungen mutieren.

So bleibt den durch Austritte ganzer Ortsgruppen und Mitgliederverlusten von bis zu 30 Prozent gebeutelten Bundesgrünen nur eine Hoffnung: Die Komitees mögen sich als Sommertheater erweisen, deren Intendanten Diestel und Gysi mit abnehmenden Temperaturen vor leeren Zuschauerbänken spielen und von den Kommentatoren verrissen werden... Wolfgang Kühr, Mitglied der Ökologischen Linken, Essen

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