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Mühsame Schritte für Rößners Freiheit

Nach zähen Verhandlungen steht die Haftentlassung des kranken RAF-Gefangenen bevor/ Die Begnadigung durch den Bundespräsident gilt als sicher/ Rößner stimmt Therapie grundsätzlich zu  ■ Von Gerd Rosenkranz

Nach über 17 Jahren Haft steht für den kranken RAF-Gefangenen Bernd Rößner das Tor zur Freiheit offen. Rößner selbst, seine Anwälte und die mit dem Fall befaßten Justizbehörden haben sich in monatelangen Verhandlungen grundsätzlich auf ein Verfahren zur stufenweisen Entlassung des Gefangenen geeinigt, der seit Jahren an den Folgen der isolierenden Haftbedingungen leidet. Nach Informationen der taz soll der 44jährige möglicherweise schon in der ersten Augusthälfte aus dem Knast im bayerischen Straubing für drei Monate in die sozialtherapeutische Abteilung der Justizvollzugsanstalt Kassel verlegt und dort auf eine Therapie in der anthroposophisch orientierten offenen Klinik „Melchiorsgrund“ in Hessen vorbereitet werden.

Für diesen zweiten Schritt muß Bundespräsident Richard von Weizsäcker einem Gnadengesuch zustimmen, das die Mutter des Gefangenen bereits vor Jahresfrist gestellt hat. Das Jawort aus dem Bundespräsidialamt gilt als sicher, nachdem die Behörde frühzeitig in die Bemühungen um ein Konzept zur Entlassung Rößners eingeschaltet wurde. Es habe sich gezeigt, heißt es in der Umgebung des Präsidenten, daß die früher „mangelhafte Mitwirkungsbereitschaft des Gefangenen Teil seines Krankheitsbilds“ gewesen sei. Nun zeichne sich ein „Durchbruch“ ab. Die neben dem Gnadenweg zweite Möglichkeit, Rößner freizubekommen, wird nicht mehr verfolgt. In diesem Fall hätte das zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf nach einer Anhörung des Gefangenen über die „Aussetzung des Strafrestes“ entscheiden müssen.

Das Gericht hatte Rößner 1977 wegen seiner Beteiligung am Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm Ende April 1975 zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt. 1990 lehnten die Düsseldorfer Richter seine Entlassung nach 15 Jahren ab, obwohl der Gefangene schon damals als haftunfähig galt.

Generalbundesanwalt von Stahl, der wegen eines von ihm in Auftrag gegebenen umstrittenen Gutachtens des Münchner Psychiaters Henning Saß für Verzögerungen bei der Entlassung Rößners verantwortlich gemacht wurde, trägt das nun ausgehandelte Verfahren offenbar mit. Als zuständige Strafvollstreckungsbehörde muß die Bundesanwaltschaft beim bayerischen Justizministerium einen Antrag auf Verlegung des Gefangenen nach Hessen stellen. Daß auch die als Hardlinerin in der Auseinandersetzung mit der RAF bekannte Münchner Justizministerin Mathilde Berghofer-Weichner (CSU) dem vorgezeichneten Weg Rößners keine Steine mehr in den Weg legen wird, gilt in Bonn und Karlsruhe als wahrscheinlich. Noch allerdings gibt man sich in München ausgesprochen zugeknöpft: Bisher liege „ein entsprechendes Ersuchen der Bundesanwaltschaft nicht vor“, heißt es bündig.

Auch der Nürnberger Anwalt des RAF-Gefangenen, Ingo Schmitt- Reinholtz, ist zuversichtlich, daß die endgültige Einigung über das Entlassungsverfahren für seinen Mandanten bald zustande kommt. Zwar hält Schmitt-Reinholtz die dreimonatige Zwischenstation Rößners in der sozialtherapeutischen Abteilung des Kasseler Knasts für „medizinischen Unsinn“. Trotzdem werde der Gefangene dem Verfahren zustimmen, wenn die „Dreimonatsfrist festgeklopft“ werden könne. Eine „definitive Zusage“ der Bundesanwaltschaft, „daß drei Monate drei Monate sind und bleiben“ stehe allerdings noch aus.

Auch im Bonner Justizministerium gibt man sich „vorsichtig optimistisch“, daß diese „ganz, ganz schwierige Kiste“ nun endlich zu einem befriedigenden Ende gebracht werden könne. Auf der im Januar bekanntgewordenen Liste der RAF- Gefangenen, die nach den Vorstellungen des früheren Justizministers Kinkel noch in diesem Jahr freikommen sollten, stand der kranke Stockholm-Attentäter ganz oben. Der „Fall Rößner“ wird von allen Beteiligten als entscheidend für den Fortgang des gegenwärtigen Entspannungsprozesses zwischen der RAF und den Staatsschutzbehörden betrachtet. Die RAF-Gefangenen, die nach 15 oder mehr Jahren Haft ebenfalls für eine vorzeitige Freilassung in Frage kommen, hatten im Mai ihre Mitwirkung in einem entsprechenden Verfahren davon abhängig gemacht, daß zuvor für den kranken Häftling in Straubing eine befriedigende Lösung gefunden werde.

Rößner gehörte zu einem sechsköpfigen „Kommando Holger Meins“, das am 24. April 1975 in der deutschen Botschaft in Stockholm elf Personen als Geiseln nahm, um 26 RAF-Gefangene in der Bundesrepublik freizupressen. Der Anschlag scheiterte, zwei Botschaftsangehörige und zwei Kommandomitglieder kamen ums Leben. Neben Rößner verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf auch die drei anderen überlebenden Gruppenmitglieder Karl-Heinz Dellwo, Hanna Krabbe und Lutz Taufer zu je zweimal lebenslänglichen Haftstrafen.

Schon seit Ende der 80er Jahre verlangen nicht nur linke Gruppierungen in der Bundesrepublik, sondern ebenso liberale Kreise, den Gefangenen wegen seiner Haftunfähigkeit zu entlassen. Als die RAF-Häftlinge beim bislang letzten Hungerstreik im Winter und Frühjahr 1989 die Freilassung ihres kranken Genossen zu einem der zentralen Ziele der Aktion erklärten, schlug sogar der Verfassungsschutz vor, diese Forderung unverzüglich zu erfüllen. Nach über drei Jahren hat sich die Position der Verfassungsschützer in Politik und Staatsschutz mehrheitlich durchgesetzt.

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