: Muß Martina zuppeln?
■ „Viva“ — der neue Hausfrauentröster bei RTL
„Nein, so was Steriles, das wär nichts für mich, ich brauche den direkten Kontakt zum Publikum, da wird alles gleich viel lebendiger und natürlicher.“ Die Dame, die sich zu diesem intimen Bekenntnis durchringt, heißt Martina Menningen und wird demnächst tagtäglich um 11Uhr bei uns daheim auf dem Sofa Platz nehmen. An ihrer Seite Eberhard Rohrscheidt, Ex-Moderator von sozialistischen DFF-Highlights wie „Musik, die Ihnen Freude bringt“ und laut Presse-Info Gourmet in Sachen „Hausmannskost“. Ihr brandneues, gemeinsames Infantil-Programm heißt „Viva“.
Eine „Infotainment-Live-Show“ ab 7.September bei RTL, die vor allem das leisten soll, was in besseren Zeiten noch Gasmänner und Briefträger besorgten: einsame Hausfrauen beglücken. Ein ungemein lockeres Püree aus Promi-Talk, Kochrezepten, Bügelhilfen, Figurberatung, aber auch vor Privatem wird nicht zurückgeschreckt. Menningen bei der Präsentation des revolutionären Konzeptes:
„Wir haben da zum Beispiel in einer Sendung eine Frau zu Gast, die mit 13 vergewaltigt wurde.“ (Drei Sätze später) „So alles, worüber man gut und gemütlich talken kann.“ Man mag diesen unverbrämten Schwachsinn unglaublich finden, aber so herzerfrischend offen geht's hinter den Kulissen des Blöd-Fernsehens nun mal zu. Dabei kann das Duo weit mehr als tadellos um die Wette strahlen. Es versteht — laut Pressetext — sein „Handwerk nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis“. Und als Beweis der kühnen Behauptung läßt man uns dann noch wissen, daß „sich Martina selbst in Kniebeugen“ übt und Eberhard zum Thema Erziehung „über eigene Erfahrungen mit seinem Nachwuchs verfügt“. Wer bei soviel geballter Kompetenz nicht einschaltet, ist selbst schuld, zumal über das „Viva- (Tele-)Phone“ alle Einsamen die Chance haben sollen, ihre total private Meinung kundzutun. Noch besser, sie berappen zehn Mark Eintritt (früher wurde man für sowas noch bezahlt) und finden sich höchstpersönlich als willige Staffage im Studio ein. Denn — das Presse-Info gibt bekannt — „der Kontakt zum Publikum steht dabei an erster Stelle“. Wie das abgehen wird, bekam man auch gleich vorgeführt.
Da schwang sich Frau Menningen auf einen Hocker, reckte kokett das tadellose Fahrgestell gen Kamera und flötete, am Saum des knappen Röckchens nestelnd: „ach, da muß man immer so zuppeln!“ Und schon stellte Talk-Bruder Eberhard mit wohlwollendem Kennerblick auf Martinas Bein dem Saal-Publikum die Gewissensfrage: „Na (glucks), ...muß Martina zuppeln?“ Prompt trompetete das Volk entschieden: „Nööö!“
So wollen wir uns denn herzhaft freuen auf all die Rezepte, Vergewaltigungsopfer und — schon angedroht — Sascha Hehn. Und vielleicht läßt sich ja irgendwann sogar Martinas (Lieblingsgericht: Miracoli) Herzenswunsch erfüllen. Sie möchte zu gern mal mit dem Papst über Geburtenregelung sprechen. Soll sie machen, aber dann will ich auch endlich mit Lothar Matthäus über den Weltfrieden diskutieren. Reinhard Lüke
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