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Fragen sind besser als Antworten

■ Die Tanzwerkstatt Berlin will in diesem Jahr die gesellschaftliche Komponente des Tanzes untersuchen

Die Initiative »Tanz im August«, die in Zusammenarbeit mit der Tanzwerkstatt Berlin durchgeführt wird, wurde am Samstag mit zwei Solostücken von Tatjana Orlob eröffnet. Die Veranstalter stellten gestern auf einer Pressekonferenz die einzelnen Projekte des Programms vor. Für die Durchführung stehen in diesem Jahr, ausgenommen die Aufführungen im Hebbel-Theater, 300.000 Mark zur Verfügung. Inhaltliches Anliegen ist es, Tanz nicht nur als ästhetische, sondern auch als soziale Komponente zu betrachten. Daraus ergeben sich Fragestellungen, die weit über körperliche und technische Probleme hinausreichen. Tanz in Berlin — in einer Stadt, die mehr als alle anderen Orte in Deutschland die Folgen der Vereinigung spürt und im Alltag zu bewältigen hat. Wo und in welcher Form findet hier Tanz statt? Dazu gibt es eine Fotoausstellung mit Arbeiten von Tanja Hertling und Andreas Rost, die am kommenden Sonntag um 11 Uhr im Tacheles eröffnet werden wird. Hans-Jürgen Heinrichs, Ethnologe und »poetischer Literat« (Programmheft), wird in einem Vortrag »Das Eigene und das Fremde« zu Fragen von Körper und Politik sprechen.

Im Tacheles findet außerdem ein interdisziplinäres Werkstattforum statt, das zwei Schwerpunkte beinhaltet: Drei unterschiedlich arbeitende Choreographen, Amoz Hetz (Israel), Pawel Smok (Prag) und Michael Purucker (München) erklären in einer Gesprächsperformance Aufbau und Funktionsweise des menschlichen Körpers. Sie zeigen, wie sie in ihrer Arbeit mit dem Körper umgehen. Wo finden Berührungen statt? Wie grenzen sie sich voneinander ab? Am Ende der Veranstaltung werden Ausschnitte aus Arbeiten von Hetz, Smok und Purucker gezeigt. (Sonntag, 16.8., 11 Uhr)

Des weiteren diskutieren Choreographen aus Ost und West über die Stellung des Tanzes innerhalb gesellschaftlicher Umbrüche und Veränderungen. Wie unterschiedlich sind Begriffe in ost- und westdeutschem Verständnis besetzt? In einem zweiten Gesprächsteil unterhalten sich Jochen Schmidt (Tanzkritiker, FAZ) und Martin Puttke (Direktor der Berliner Ballettschule) über diese Fragestellungen. Thema wird auch sein, auf welche Weise Annäherung zwischen östlicher und westlicher Schule erreicht werden kann und welche Hilfen dazu erdacht werden können und müssen.

Die Tanzwerkstatt Berlin mit Sitz im Podewil bietet neben einer kleinen Aufführungsreihe junger, unbekannterer Künstler und Künstlerinnen Workshops an, in denen zum Beispiel Cesc Gelabert und Lydia Azzopardi aus Barcelona mit 8 Choreographen und 16 Tänzern beiderlei Geschlechts aus verschiedenen Ländern arbeiten. Beide waren bereits im vorigen Jahr zu Gast in Berlin, die gemeinsame Arbeit stieß auf großes Interesse und soll in diesem Jahr erweitert werden. Um noch ein paar andere Namen zu nennen: Auch Jürgen Förster, Irene Hultmann und Catherine Diverres aus Paris haben sich zur Verfügung gestellt.

Ein weiteres Projekt der Tanzwerkstatt beschäftigt sich mit »Early Dance«. Wie der Choreograph Klaus Abromeit ausführte, wird das Interesse an musikalischen und theatralischen Formen des 17. und 18. Jahrhunderts immer größer. Die Tendenz künstlerischer Beschäftigung geht dahin, diese Kunst nicht mehr nur zu bagatellisieren, sondern ernst zu nehmen und von heutigen Positionen aus weiterzuentwickeln. Der Workshop zu diesem Thema findet von morgen bis Montag kommender Woche statt. Die Ergebnisse — dieser Termin ist in den Programmheften noch nicht verzeichnet — werden am 10. August, 19 Uhr im Tacheles vorgestellt.

Die Veranstalter erklärten nachdrücklich und übereinstimmend, daß sie den »Tanz im August« nicht als Festival verstanden wissen wollen, sondern als einen Ort der Begegnung einerseits zwischen Künstlern und andererseits zwischen Darstellern und Publikum.

Im Aufführungsprogramm, das für die tanzinteressierten Zuschauer wohl doch das wichtigste ist, sind als Höhepunkte zu nennen: Cesc Gelabert und Lydia Azzopardi vom 7. bis 9. August, ihr Stück »Kaalon Kaakon« wurde mit Berliner Tänzern und Tänzerinnen entwickelt. Nach seiner Premiere zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Barcelona, findet damit in Berlin die deutsche Uraufführung statt. Weiterhin eine Arbeit von Marcia Barcellos aus Paris am 15. und 16. August und ebenfalls aus Paris Catherine Diverres vom 21. bis 23. August. Alle Vorstellungen finden im Hebbel- Theater statt. Ein weiter Spielort ist der Schloßpark in Charlottenburg. Dort ist vom 6. bis 8. August »Novantiqua« zu sehen, eine Arbeit einer New Yorker Truppe, die sich damit erstmalig in Deutschland vorstellt. Tänzer und Tänzerinnen bewegen sich in einer barocken Plastik, die über Projektion eingespielt wird. Im Podewil zeigen Christian Bourigault, Gonnie Heggen, Jabi Bustamante und Gilles Monnart am 20. und 21. August in einem gemeinsamen Abend ihre Arbeiten. Modernes Tanztheater ist heute vielfältiger denn je; individuelle Handschriften werden in ausgeprägtem Maße entwickelt. Die Initiative will weitaus mehr spannende Fragen stellen, als kluge Antworten liefern. burk

Programmheft im Hebbel-Theater, im Podewil und an den bekannten Vorverkaufsstellen

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