Obacht: Käfer beißt!

■ Der Marienkäfer eine Plage? Rote Wolken, Stinkeblut, Kannibalismus

Andernorts spricht man vom „Herrgottskäfer“ und vom „Sonnenkälbchen“ oder gar vom „Glückskäfer“, der gemeine Zoologe hat für den Gepünktelten den wunderschönen Familiennamen „Coccinellidae“ erfunden — wir hingegen denken an die unbefleckte Jungfrau: Der Marienkäfer ist beliebt und stiftet Freude und Entzücken schon bei der kleinsten Stammhalterin.

Und was müssen wir jetzt hören von unserem kleinen Blattlausverzehrer? „Rote Wolken“ erheben sich über der Nordseeküste, zerplatzte bunte Panzerchen bedecken Windschutzscheiben an der Unterweser, Bremer Kleingärtner melden „Käferplage“. Und schon kommen erschütternde Berichte von der Käferfront: Der Marienkäfer beißt!!!

Da ist man platt, da ist man ratlos. Zum Glück hat das Niedersächsische Umweltminiserium eine sinnreiche Institution erdacht, die in solchen Fällen Rat und Trost spendet: die NNA, die Norddeutsche Naturschutzakademie, eine Anstalt öffentlichen Rechts, die man anrufen kann. Dort weiß Birgit Kreimeier alles über Marienkäfer.

Tatsache ist, daß wir Zeugen einer Massenvermehrung sind; es handelt sich hier aber nur um eine der ca. 70 Arten in Deutschland, den roten mit den sieben Punkten. Andere sind gelb oder haben zwei Punkte oder sind größer. Hieraus erhellt schon, daß die Anzahl der Punkte nicht das Geringste mit dem Alter zu tun hat — die Käfer überleben ihr erstes Jahr nicht.

Normalerweise trägt der Kleingärtner gefundene Marienkäfer persönlich zum Kohl. Weil sie die Blättläuse dezimieren. Die Käferin legt 800 Eierchen, aus denen Larven schlüpfen, „schlank, schwarz-rot gepünktelt, gut zu Fuß“ (Kreimeier). Weil sie in der Regel zu knapp Nahrung finden, tendieren die Kleinen zum Kannibalismus. Nicht so in diesem Jahr — bei der Hitze vermehren sich die Schädlinge stark. Die Marienkäfer wachsen allesamt auf und bilden, auf der Suche nach Futter, jene „roten Wolken“, die die Ruhrgebietler im Sand schrecken. Ein verbreiteter Käferirrtum hat dann Folgen: Der Marienkäfer hält den bunten Badeanzug für eine verlauste Blume.

So massenhaft und hungrig kann der Glückskäfer unangenehm werden. Bei jeder Erregung z.B. preßt er sich gelbes Käferblut „aus den Beinen“, sog. „Hämolymphe“. Das stinkt und schmeckt den Vögeln nicht: kein Feind in der Nahrungskette. Eine Eskalation tritt bei großem Magenknurren ein: Dann betätigt der Käfer seine „Mandrillen“, kleine Zangen, und knabbert auch Menschen an. Das zwickt. Denkt man dann an das Kannibalenblut in seinen Adern...

Das Motto des Tages heißt, weil man eh nicht unternehmen kann und soll: aussitzen. Mit einem weiteren Supersommer ist nicht so bald zu rechnen. Übrigens, weiß Birgit Kreimeier, gibt es noch ein allerliebstes Insekt, das jetzt massenhaft auftritt, nur: man sieht es nicht: Die Florfliege ist nachtaktiv, aber auch nicht ohne Reize. „Schlank, grün, ein guter Flieger — leuchtet man sie an, schaut sie mit goldenen Augen zurück.“ Bus

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