: Chaos! Narren! Kakophonie!
■ Compagnia Buffo treibt Unwesen in der Stadt / Ab Freitag: Groteskes Zelttheater auf der Bürgerweide
Grafik mit
Nacktarsch
Lumpen sind in der Stadt! Grotesk maskierte Figuren hüpfen über den Wochenmarkt und blasen mit Trompeten die Wespen von den Kirschen. Wilde Kerls hocken auf Schnullerbabies und singen Kakophonien. Handzettel werden von einem Wägelchen verteilt. Die Compagnia Buffo hat ihr Zelt in Bremen aufgeschlagen, und die „Parade“ über den Bremer Markt erinnert daran, was „Markt“ auch mal war: Gesang, Musik und Lustbarkeit, Gegaukel und derber Spaß. Jahrmarkt.
„Jahrmarkttheater“ nennen die Buffoni von der Compagnia ihr Theater, das jetzt auf der Bürgerweide sein Haus hat: ein „Zweimast“-Zelt für 300 BesucherInnen. Plus knackblauen Klowagen, plus Küchenwagen, plus lauter Wohnwagen. Die Compagnia, das sind 12 Fahrende aus Tübingen und anderswo, die sich einem frechen, körperlichen, chaotischen, derben, obszönen, lärmenden, unberechenbaren und bezaubernden Theater verschrieben haben. Traditionslinien reichen ins mittelalterliche Italien zurück, wo sich die wild-komischen Spiel-Figuren der „Buffoni“ entwickelten.
Es gibt den frechen, schubladenscheuen Kasper, es gibt die „Bombolona“, voller Busen, voller Arsch, voller Reize, und den lächerlichen „Trabano“ mit der grotesk langen Nase. Doch wer jetzt meint, es ginge nur um Lachen und Schenkelschlagen, liegt falsch: Im Mittelpunkt des Programms der Compagnia steht eine todernste Geschichte, ein Uralt- Stummfilm von Ernst Lang, „Der müde Tod“. Das Drama einer jungen Liebe, die vom Tod bedroht ist. Der Gruselfilm stand offenbar unter dem Eindruck des Weltkrieges. Die Balance aus „Ernsthaftigkeit und Humor hinzukriegen, das ist nicht einfach“, sagt Günter Fortmeier, der sich selber „Schausteller“ nennt. „Wenn die Leute bedrückt nach Hause gehen, hat was nicht geklappt.“
Daß der Abend nicht zum Trauerspiel wird, dafür sorgen neben den Buffoni, die immer wieder das Geschehen an sich reißen, „Kasperle“-Einlagen: Das Kasperle-Theater gehört zum Jahrmarkt wie die Dame ohne Unterleib. Die übrigens auch hier vorkommt: Eine Figur besteht aus einem Hutzelweiblein, das einen Korb schleppt, aus dem der Oberkörper einer Maskenfrau zu wachsen scheint.
Einst, es war in den 80ern, studierten einige junge Leute an der Folkwang-Schule in Essen: Pantomime und Schauspiel. Sie hatten teilweise Erfahrungen mit dem konventionellen Theaterbetrieb, und die reichten ihnen, um nach einem anderen Weg zu suchen. 1985 wurde die Compagnia Buffo als freie Theatergruppe im Zelt gegründet: unhierarchisch, voller Spiellust, phantastisch. Zentrale Figur war der Schauspieler Willi Lieverscheid (Ex- Landestheater Tübingen), der auch heute noch als Kopf der Truppe anzusehen ist und die tragenden Rollen von Kasper und Tod spielt.
Mittlerweile ist die Compagnia ein kleiner Betrieb mit beträchtlichem Etat, der bis auf einen winzigen Zuschuß selbst eingespielt wird. Allein die LKW verschlingen Unsummen, dann kommen die Versicherung, der TÜV mit neuen Auflagen ...; und die Spielzeit endet im September. „Wir können es uns nicht leisten, daß es in einer Stadt schlecht läuft,“ meint Günter Fortmeier. Er scheint allerdings, was Bremen angeht, zuversichtlich zu sein: „Wir werden die Stadt erobern!“ Bus
Premiere ist am Freitag, 7.8., 20.30 Uhr. Die Compagnia Buffo gastiert in Bremen bis zum 30.8., täglich außer montags. Kartenvorbestellung Tel.: 3760248
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen