: Ein Wallfahrtsort für Militaristen in Mitte?
■ Geschichtswerkstatt fürchtet um Charakter des Invalidenfriedhofs/ Grab eines Nazi-Fliegers als Präzedenzfall/ Verwaltungskonzept noch nicht fertig
Mitte. Der Invalidenfriedhof in der Scharnhorststraße, der seit der Maueröffnung wieder öffentlich zugänglich ist, droht zu einer Wallfahrtsstätte für Militaristen und Nazi-Anhänger zu werden. Das zumindest befürchtet Jürgen Karwelat vom »Aktiven Museum Faschismus und Widerstand«. Der Historiker kritisierte nun erneut, daß nach der Wiederherstellung des Grabes von Werner Mölders, eines bekannten deutschen Kampffliegers aus dem Zweiten Weltkrieg, der Friedhof jetzt zu einer Wallfahrtsstätte für Neonazis und Militaristen zu werden drohe. Obwohl die zwanzigjährige Liegezeit für das Mölder-Grab abgelaufen sei, genehmigte die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz die Rekonstruktion des Grabes. Dabei berufe man sich auf den Mythos, wonach Mölders ein Widerstandskämpfer gewesen sei — eine Behauptung, die nach Ansicht der Geschichtswerkstatt eindeutig widerlegt ist. Mit finanzieller Unterstützung der militaristischen »Gemeinschaft der Jagflieger« wurde das Grab des NS-Fliegers mit einer zentnerschweren Marmorplatte wiederhergestellt. Die Berliner Geschichtswerkstatt und das Aktive Museum Faschismus und Widerstand möchten den Friedhof so erhalten, wie er jetzt ist. Der Friedhof, so die Argumentation der Geschichtswerkstatt, sei ein Produkt deutscher Geschichte. Die für den Ausbau des Mauerstreifens von der DDR-Regierung beseitigten Gräber sollten nach den Vorstellungen der Geschichtswerkstatt keinesfalls wieder angelegt werden. »Das Ensemble des Friedhofs, der bestehende Gesamteindruck des Friedhofs muß erhalten bleiben«, forderte Jürgen Karwelat. Auch die Reste der Grenzanlage, eine drei Meter hohe Vormauer, müßten erhalten bleiben.
Zur Zeit gibt es nach Angaben der Geschichtswerkstatt etwa zwanzig Wiederherstellungsanträge. Auch für die Wiederherstellung des Grabes von Fritz Todt läge ein Antrag vor. Todt war von 1940 bis 1942 Reichsminister für Munition und Bewaffnung sowie Generalinspekteur für das Straßenwesen, somit eine technokratische Schlüsselfigur des NS-Herrschaftssystems. Wie sehr ein Konzept für den Invalidenfriedhof nötig sei, zeige der Präzedenzfall »Mölder«. Nach Auskunft des Referatsleiters der Abteilung Landschaftsentwicklung und Freiraumplanung der Senatsverwaltung, Heinz Wiegand, sind die Diskussionen der Fachleute um ein Konzept für den Invalidenfriedhof noch nicht abgeschlossen. Seiner Ansicht nach sei aber mit der Genehmigung, das Mölder-Grab erneut mit einer Grabplatte einzurichten, keine Präzedenzfall geschaffen worden. Wiegand wandte sich dagegen, Tote selektiv zu behandeln. Ein Verbrecher wie Heydrich sei sicher eine Ausnahme, sagte Wiegand: »Aber prinzipiell macht es keinen Sinn, Tote zu sortieren.« Rüdiger Soldt
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