Kein neues Kaffeeabkommen in Sicht

■ Nach dem Scheitern der jüngsten ICO-Kaffeerunde denken die Erzeugerstaaten nun über die Gründung eines Kartells nach/ Industriestaaten wollen keine Quote/ Lateinamerikas Kleinbauern droht der Ruin

London/San Jose (IPS/taz) — Die Zukunft der Internationalen Kaffeeorganisation (ICO) steht nach dem Scheitern der Verhandlungen über ein neues Kaffeeabkommen auf der Kippe. Die Allianz, in der seit 1962 50 Erzeuger- und 24 Verbraucherländer zusammengeschlossen sind, droht wegen der störrischen Haltung der Kaffeeabnehmer zu platzen. Nach dem die Erzeugerländer im jüngsten Pokerspiel um Preise und Exportquoten für die grünen Bohnen wieder einmal zu Verlierern gestempelt wurden, zweifeln deren Vertreter am Willen der Industriestaaten, den permanenten Verfall der Kaffeepreise noch aufhalten zu wollen. In Costa Rica mehren sich unterdessen die Rufe nach der Einsetzung eines Produzentenkartells.

„Die Kaffeeindustrie ist bankrott“, urteilt Kolumbiens ständiger Vertreter bei der ICO, Nestor Osoria. Kolumbiens Kaffee verkauft sich auf dem Weltmarkt derzeit zu 56 US- Cents pro Pound (454 Gramm), während Anfang des Jahres noch zwischen 70 und 75 Cents und vor dem Scheitern des Kaffeeabkommens 1989 sogar 1,2 Dollar damit erzielt wurden. Auch afrikanische und asiatische Produzenten mußten in den letzten drei Jahren einen Preisverfall von rund 50 Prozent hinnehmen. Die niedrigen Preise, so argumentieren die Erzeugerländer, werden zu einem Verfall der Qualität und zum Absinken der Produktionsmengen führen. Dabei waren die Kaffeeproduzentenländer optmistisch in das jüngste ICO-Treffen gegangen. Dort erwarteten sie sich Zusagen der Industriestaaten für eine baldige Erneuerung des seit drei Jahren ausgesetzten Systems fester Lieferquoten und einen Stopp des Preisverfalls auf den internationalen Märkten. Ihre Hoffnungen sind nicht aufgegangen: Die Preise werden weiter purzeln, und auch der Absatz dürfte sich kaum vergrößern — für die Erzeuger, vor allem die lateinamerikanischen Kleinbauern, eine geradezu ruinöse Entwicklung. Seit 1989 fielen die Umsätze auf den Rohkaffeemärkten von 15 Milliarden auf gerade noch sieben Milliarden Dollar. Die Kaffeepreise haben mit knapp 75 Dollar pro Sack (60 Kilo) ihr niedrigstes Niveau seit 20 Jahren erreicht.

Der Anlauf vor einem Jahr, das Kaffeeabkommen zu erneuern, war am vehementen Wiederstand der USA gescheitert. Die US-Regierung, bei der Deregulierung außerhalb ihres Landes stets vorneweg, wollte keinerlei Marktregelungen zulassen. Die USA sind mit einer jährlichen Abnahme von rund 19 Millionen Sack das größte Abnehmerland, gefolgt von Deutschland mit rund zehn Millionen Sack. Diesmal fürchteten die USA, Deutschland und die Niederlande, daß bei festen Lieferquoten der überschüssige Kaffee zu Billigpreisen an Nicht- Mitgliedsländer der ICO verhökert werde. Die von den Produzenten vorgeschlagene globale Exportquote von 62 Millionen Sack ist den Konsumenten ohnehin zu gering bemessen. Derzeit hat sich der Absatz bei rund 74 Millionen Sack eingependelt. Auch die Zeitspanne, für die die jedem einzelnen Abnehmer zugestandenen Quoten gelten sollen, ist bei den Kontrahenten noch umstritten.

Brasiliens ICO-Vertreter Valdemar Leao glaubt weiterhin, daß bis zum Ende des Jahres ein neues Abkommen unter Dach und Fach gebracht werden kann. Die Brasilianer, die es zusammen mit Kolumbien auf fast die Hälfte aller Kaffeexporte bringen, hatten selbst einen eigenen Kurs gefahren: Sie schwemmten den Markt mit billigem Tieflandkaffee und zogen die Gewinne aus den erzielten Mengen. Laut Leao hätten die Abnehmerstaaten erst in der Vorwoche begriffen, wie wichtig ein Quotensystem für die Produzenten sei. „Die Konsumenten werden sich nun mehr um die Angelegenheit kümmern“, glaubt Leao. Bis zum nächsten Treffen im September könnten noch Fortschritte für eine Verständigung erzielt werden.

Unterdessen mehren sich allerdings die Anzeichen dafür, daß die Produzenten ernsthaft über die Bildung eines Kartells nachdenken, um die Preise wieder in die Höhe zu bringen. Gleich nach den Londoner Verhandlungen hatte der Präsident der costaricanischen Kammer der Kaffeeproduzenten, Ricardo Seevers, offen die Gründung einer Vereinigung der Erzeugerländer gefordert. Am Rande der Londoner Verhandlungen, so berichteten costaricanische Zeitungen, hätten sich die Vertreter der Produzenten auch bereits getroffen, um über eine mögliche Organisationsform zu sprechen.

Der costaricanische Vizepräsident Arnoldo Lopez mochte diese Meldungen am Mittwoch nicht dementieren. Angesichts des geringen Interesses der Industrieländer an einem Abkommen seien einseitige Maßnahmen der Produzenten überhaupt nicht auszuschließen, meinte Lopez. „Wenn die Konsumenten sich bei der Einfuhrmenge nicht beschränken wollen und diese Maßnahme lieber den Produzenten überlassen, dann ist es ja nur logisch, wenn die Erzeuger Maßnahmen zur Einschränkung des Angebots ergreifen.“ An die Abmachungen im ICO wolle man sich aber auf jeden Fall halten, erklärte der Vizepräsident. Bis zum Ende des Jahres müsse man der Organisation noch Zeit geben, um zu einer Einigung zwischen Produzenten und Konsumenten zu kommen. es