„Der Finanzsenator ist schlecht beraten“

■ Personalrat Öffentlicher Dienst sieht Grenze derSparpolitik erreicht / Gespräch mit dem Vorsitzenden Tilsner

Gerhard TilsnerFoto: Jörg Oberheide

Gerhard Tilsner (57) ist seit 17 Jahren Vorsitzender des Gesamtpersonalrates des bremischen Öffentlichen Dienstes. 42.000 Arbeiter, Angestellte und Beamte

hat er zu vertreten. Seit 1953 war er als Rechtsreferent bei der Sozialbehörde angestellt. Tilsner ist alle vier Jahre wiedergewählt worden, Gegenkandidaten gegen ihn hat es nicht gegeben.

Zuletzt vor 6 Jahren, so erzählt er stolz, hat der Personalrat mit einer „Vollversammlung“ dem Bürgermeister seine Heerscharen vorgeführt, 13.000 kamen in die Stadthalle und forderten Absicherung angesichts der Sparpolitik. Mit Erfolg: Koschnick versprach, daß es keine Kündigungen geben werde.

Angesichts der Privatisierungs-Debatte hat der SPD-Landesvorstand beschlossen, sich mit dem Personalrat zu verbünden. Die Betriebsräte der Gewoba und der Stadtwerke und die entsprechenden Gruppen der SPD-Arbeitnehmer (Afa) hatten sofort mit geharnischten Protesten auf das Privatisierungs-Stichwort reagiert, der Gesamtpersonalrat auch. Das hat die SPD-Vorständler aufgeschreckt. „Ich finde das ganz natürlich für einen Landesvorstand der SPD, der dieses sieht“, sagt Tilsner zufrieden.

Aber Tilsner vertritt direkt vor allem die Reinigungskräfte. Und das mit vollem Engagement: „Kröning sagt nicht: Wenn privatisiert wird, dann ist es eine Voraussetzung, daß die private Reinigungsfirma Tariflohn zahlt oder einen Betriebsrat nach dem BVG hat. Sagt er ja nicht. Er sagt 'privat' und wir wissen, was sich auf dem Reinigungssektor tummelt an privaten Unternehmungen mit Verträgen unterhalb der Sozialversicherungsgrenze.

Tilsner ist ein klassischer Interessenvertreter für sein Klientel. Daß das Unternehmen Bremen mit seinen 42.000 Beschäftigten zuviel Personalkosten hat, kann er nicht gelten lassen. Der Personalkostenanteil Bremens liegt bei 38 Prozent, das sind 2,4 Milliarden im Jahr. Tilsner hat die Zahlen im Kopf. Über eine Reduzierung der Lohnkosten will er nicht mit sich reden lassen: „Auch der im Öffentlichen Dienst Beschäftigte hat wie jeder Arbeitnehmer den Anspruch auf eine tarifgerechte Bezahlung, das ist ja wohl außer Frage. Der Bürger eines Gemeinwesens hat zudem Anspruch auf eine soziale und seinen Bedürfnissen entsprechende Leistung durch den Öffentlichen Dienst. Dafür ist der Mitarbeiter in der Verwaltung da. Sozialamt, Kindergarten, Schule, präsente Polizei und Feuerwehr, Krankenhaus, dort überall arbeiten die 42.000 Menschen. Das können schlechthin keine disponiblen Massen sein.“

Ja — geradezu um des Gemeinwesens Bremen willen darf man den Öffentlichen Dienst nicht antasten: „Wenn Bremen zu Recht den Anspruch auf Selbständigkeit haben will, dann muß Bremen, was die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen angeht, einen gewissen Reiz bieten. Bremen muß lebens- und liebenswert sein. Ein Gemeinwesen kann nur dann lebenswert sein, wenn der öffentliche Dienstleistungbetrieb funktioniert.“

Wenn der SPD-Landesvorstand mit dem Personalrat reden will, um ihn in die Diskussion um eine Sanierungsstrategie einzubeziehen, dann wird es vor allem ein vielfältiges „nein“ geben. „Man muß sich genau ansehen, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat“, sagt Tilsner. „Man darf sich nicht nur das rauspicken, was gerade paßt. Das gilt auch für einen Teil der Sozialdemokraten, die sagen, nach 1995 gibt es ein selbständiges Bremen nicht mehr. Ich sage denen immer: Ihr spinnt. Wir müssen die Chance, die uns das Gericht gibt, nutzen. Das will mit Sicherheit Kröning auch. Aber ich halte es für falsch, in einem Vorfeld von Überlegungen, die in erster Linie der Bundesfinanzminister anzustellen hat, als betroffene Bremer zu sagen: Opfern wir mal vorweg auf dem Gabentisch meinetwegen Stadtwerke und opfern wir das wohnungsbaupolitische Instrument Gewoba. Ausgemachter Schwachsinn. Oder opfern wir sozialpolitische Positionen, bezogen auf die Raumpflegerinnen. Der Finanzsenator ist schlecht beraten, wenn er auf dem Opfertisch alles, was er hat, hinschmeißt und sagt: Hier, Waigel, nimm und friß! ohne zu wissen, ob das überhaupt der richtige Weg ist und ob Waigel das haben will.“

Daß in Bremen nichts mehr zu sparen sei, will Tilsner nun auch nicht sagen. Aber ihm fällt nur ein Beispiel ein: „Man kann ernsthaft die Frage stellen, ob wir uns in Bremen ein Parlament mit 100 Abgeordneten leisten müssen. Das wäre so ein Punkt. Aber insgesamt ist die Grenze dieser Sparerei erkennbar gesetzt. Wenn ich nicht mehr in der Lage bin, eine kaputte Straße neu zu pflastern oder ein verfallendes Gebäude, etwa eine Schule, instandzuhalten, dann sind Grenzen erreicht. Das sind doch die Ergebnisse von über zehn Jahren konsequenter, harter Sparpolitik in Bremen. Man muß kein Prophet sein, wenn man sich heute hinstellt und sagt: die Grenzen sind erreicht.“ K.W.