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Besinnungslose Hektik nach dem letzten Kuß

■ Manch eine Seele kommt nicht ohne Abspann aus

Köln (dpa) — Keine Sekunde Zeit zur Besinnung: Die kommerziellen Fernsehsender haben den Abspann von Spielfilmen praktisch abgeschafft. Kaum ist der letzte Schuß gefallen, der begehrte Mund geküßt, der Schatz gefunden, wird der Zuschauer schon auf das nächste angebliche Programm-Highlight gepolt. Den Vogel schießt seit einiger Zeit RTLplus ab, das den Abspann mit dem Namen der Film-Beteiligten nach amerikanischem Vorbild einfach mit Hinweisen zum nächsten „atemberaubenden Thriller“ übersprechen läßt. Durch „Voice over“ — letzter Schrei im Kampf um die Einschaltquoten — wird den Zuschauern noch vor dem befürchteten Griff zur Fernbedienung der nächste atemberaubende Thriller ans Herz gelegt.

Doch mancher braucht den Abspann. Nach Meinung des Psychologen Prof. Henning Haase vom Bundesverband deutscher Psychologen wirkt das anscheinend öde Abspulen der Namen der Darsteller und Kameramänner durchaus beruhigend auf die Nerven des Zuschauers. Ohnehin würden sich die Menschen „auf Dauer durch pausenloses Entertainment nicht vom Umschalten abhalten lassen“, meint er.

Wenn ihnen der Programmablauf keine Möglichkeit gebe, in ihre „seelische Normallage“ zurückzufinden und die Action zu verarbeiten, sei mit einer gesunden Reaktion zu rechnen: „Die Leute setzen sich dann über den Rhythmus des Programmablaufs hinweg und schaffen sich einen eigenen Rhythmus durch Um- oder Ausschalten.“

Dagegen hält Frank Speelmanns von der RTL-Sendeleitung „Abspänne für Abschalter“. Das Nutzen dieser kostbaren Sendezeit für diese Art Eigenwerbung habe noch einen weiteren Vorteil: „Sie erübrigt Moderatoren.“ Da es seit der Einführung von „Voice over“ keine Protestbriefe hagele, geht Speelmanns vom Erfolg des schnellen Fernsehens aus. Michael Schmid-Ospach, stellvertretender Direktor des Programmbereichs Fernsehen beim WDR, sieht das anders: „Ich bin überzeugt, daß RTLplus nur Strohfeuererfolge feiern kann. Voice over ist ein Kick, aber zuviel Kick streßt die Zuschauer.“ Zur Pflege der zarten Zuschauerseele setzt er auf die Ausstrahlung der AnsagerInnen: „Die geben dem Fernsehen eine persönliche Note.“ Wegen der wichtigen Informationen müßten die Abspänne bleiben.

Sat.1 und Pro7 sind nicht im „Voice over“-Fieber. Sie haben eigene Varianten gefunden, die den begehrten Zuschauer bei Laune halten sollen. „Wir blenden eine Grafik mit den Namen der Hauptdarsteller und des Regisseurs ein“, sagt Angelika Fischer, Programmleiterin von Pro7. Bei Sat.1 werden Abspänne häufig durch Lauftexte mit Kurzinformationen ersetzt „und so in den redaktionellen Teil eingebunden“, sagt Martin Kraml, Direktor des Bereichs Unterhaltung und Programmkoordination. In wenige Sekunden dauernden „Teasern“ (necken, die Übersetzerin) preisen beide Privatsender gleich darauf ihren nächsten Hit auf der Mattscheibe an.

Aber ohne Eigenwerbung kommen auch die Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr aus. Minutenlange Standbilder sind passé, das machen nicht mal die älteren Zuschauer mehr mit. Also — so kündigt Schmid-Ospach an — wird es auch bei der ARD in Zukunft „mehr Infos über uns selbst“ geben. Sabine Cornelius

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