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Schwule Pärchen als Pausenclowns

Nur weil sich das Publikum amüsiert, ist die Homoehe ein Modethema  ■ Von Micha Schulze

Im Frankfurter Büro des Schwulenverbands rühmt man sich oft und gern der guten Kontakte zu den Medien. In der Tat haben es die notorischen Vorkämpfer für die Homoehe geschafft, ihr Anliegen nicht nur in der Boulevardpresse unterzubringen. Hochzeitsglocken für Homos beschäftigten die Talk-Shows, „Pro und Contra“, die ZDF-Jugendsendung „Doppelpunkt“ und natürlich den „Heißen Stuhl“ auf RTL plus.

Hinter dem plötzlichen Interesse der Heteromedien an lesbisch- schwulen Belangen steckt jedoch weder neue Toleranz noch emanzipatorisches Kalkül. Talk-Shows über die Homoehe sind beliebt, weil sich die Zuschauer dabei blendend amüsieren können. Schon die Outing-Debatte hat gezeigt, daß eine Mischung aus Tabu, Gegensatz und Prominenz das beste Rezept für den Unterhaltungs-Cocktail ist. Als Hella von Sinnen und Cornelia Scheel ihren Ehewunsch öffentlich machten, registrierte die „Schwule Presseschau“ nicht weniger als 105 Meldungen in der Tagespresse.

Um die Einschaltquoten zu erhöhen, wird neben einem prominenten Homo ein katholischer Greis oder zumindest ein CSU-Hinterbänkler ins Studio gezerrt. Die Diskussion geht dann zwar den Bach herunter, doch für Stimmung und Lautstärke ist gesorgt. Scheint die Homoehe im Abendprogramm auf das Sommerloch angewiesen zu sein, wird sie im Frühstücks-TV auch dann gefeaturet, wenn gerade mal kein Zugunglück oder Hotelbrand die Morgenmuffel aus den Federn holen kann.

Redakteure dieser Sendungen stellen natürlich ihren aufklärerischen Impetus in den Vordergrund. „Irgendwann stand das Thema im Raum“, heißt es ganz bescheiden aus der „Doppelpunkt“-Redaktion. Doch in den Sendungen lassen die Programmacher oft jede Sensibilität vermissen. „Heißer Stuhl“-Moderator Olaf Kracht, der sich nicht einmal den Namen des Schwulenverbands merken konnte, brillierte mit der dümmlichsten aller Heterofragen an Schwulenfunktionär Volker Beck: „Wenn Sie heiraten, wären Sie dann der Mann oder die Frau?“

Jede TV-Diskussion über die Homoehe ist von vornherein so angelegt, daß sie ihr Thema verfehlen muß. Niemals bekommen lesbische und schwule Ehegegner einen heterosexuellen Hochzeitsfeind an die Seite gestellt. Es geht nicht um die Ehe, sondern um die „unterdrückten“ Lesben und Schwulen. „Homos werden geprügelt, Homos werden diffamiert, auch der Gesetzgeber steht da nicht abseits“, orakelte der Vorspann des „Heißen Stuhls“, und der Moderator ließ mitten in der Sendung darüber abstimmen, ob Homosexuelle benachteiligt würden.

Am Umgang der Medien mit Lesben und Schwulen hat sich qualitativ kaum etwas geändert. Nach wie vor werden Homosexuelle nicht aus ihrer Opferrolle entlassen. Anstatt ihre Interessen selbstverständlich und im Alltag zu benennen, müssen Redakteure das „Problem“ Homosexualität stets als solches ergründen. Zielgruppe bleibt die heterosexuelle Mehrheit.

Um die alte Forderung nach mehr Medienöffentlichkeit für Schwule und Lesben vordergründig zu erfüllen, bietet sich die Homoehe geradezu an. Während man die „Normalität“ des homosexuellen Lebens, die Bedürfnisse nach Steuervorteilen, Romantik und Partnerschaft herausstellt, kann man alles Anstößige rund um Subkultur und Sexualität tunlichst verschweigen — oder in den Gerichtsreport verbannen. In jeder Homoehe-Talk-Show gibt es Beifall für das Homopärchen, das seit über zwanzig Jahren zusammen ist. Wo aber bleibt der Applaus für den Schwulen, der seinen tausendsten Quickie in der öffentlichen Toilette erlebt hat?

Im Medienrummel um die Homoehe rächt es sich, daß die politischen Schwulen- und Lesbengruppen es versäumt haben, Presse und Rundfunk mit qualitativen Anforderungen an die Berichterstattung zu konfrontieren. Statt dessen machten sich einige zu nützlichen Idioten der Unterhaltungsbranche. Es mag sein, daß— um im Vokabular des Schwulenverbands zu bleiben — das schwul-lesbische U-Boot als Folge des Theaters tatsächlich in den Ehehafen einlaufen wird. Doch spätestens dann geht der Schwulenverband in der Medienöffentlichkeit wieder unter.

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