: Schlumpf-Kunst in Kassel
■ Wolfgang Strack, einziger Hamburger Künstler auf der Documenta, persifliert berühmte Kollegen mit Schlümpfen
, einziger Hamburger Künstler auf der
Documenta, persifliert berühmte Kollegen mit Schlümpfen
Die neunte Documenta wird trotz aller negativer Kritik an der Konzeptlosigkeit des Machers Jan Hoet ein Publikumsrenner: schon 300000 Besucher haben sich mit den Arbeiten der 186 Künstler konfrontiert. Zwischen längst arrivierten Klassikern der Moderne, wie Francis Bacon oder Mario Merz, gibt es neue und seltsame Entdeckungen. So im zweiten Stock einer ehemaligen Schule hinter dem Hauptmuseum Fridericianeum, wo ein überlebensgroßes Gummitier in zwei Räume mit museal präsentierten Schlümpfen und anderem Spielzeug lockt. Hier ist nun keineswegs der Kinderhort der Documenta IX erreicht, sondern der Beitrag des einzigen Hamburgers zur Weltausstellung der Kunst.
Waren es auf der achten Documenta noch fünf Künstler aus Hamburg, ist diesmal der auch feinsinnigen Fachkreisen unbekannte Wolfgang Strack der einzige. Durch einen Tip eines Kasseler Sammlers hatte Jan Hoet mit der Einladung zur Documenta ihm die Chance zu seiner ersten Ausstellung überhaupt gegeben. Der sich selbst gerne so verschmitzt gebende Direktor des Museums der hundert Tage hat in dem konsequent ironischen Beitrag von Wolfgang Strack wohl eine Art Satyrspiel zum historischen Rahmen seiner Ausstellung gesehen, den er im Zwehrenturm mit Paul Gaugin, Jacques-Louis David, Joseph Beuys und anderen abgesteckt hat. Denn die Konstruktion von Künstlerbiographien und dazu der Humor in der Kunst ist das Thema Wolfgang Stracks.
Der im Laden als „Überraschungsschlumpf“ gehandelte kleine Kerl samt gut verschnürtem Paket steht als Hommage an Verpackungskünstler Christo auf einer kleinen Säule, oder eine Kinderkarre mit rot-weißem Markisenstoff wird als schicksalhaft für den mit seinen Streifeninstallationen berühmt gewordenen Daniel Buren vorgestellt. Ähnlich pointiert werden Yves Klein, Panamerenko und viele andere mehr verschlumpft. Solchen Umsetzungen von Künstlerbiographien ist ein spontaner Lacher sicher. Im zweiten Raum wird dann mit anderen kindlichen Utensilien das Spiel mit den primären Merkmalen berühmter Künstler fortgesetzt.
Es verwundert, im nicht gerade vom Witz gedüngten Norddeutschland auf jemanden zu stoßen, der den Humor sogar zum Thema seiner Doktorarbeit gemacht hat. Und eigentlich ist der Künstler-Wissenschaftler auch gar kein Hamburger, denn laut Katalog-Biografie wurde er „am 79. Geburtstag von Alfred Kubin, am 62. Geburtstag von Ben Nicholson, am 36. Geburtstag von Kenneth Noland und am 24. Geburtstag von James Lee Byars sowie leider erst fünf Tage vor Leonardo da Vincis 405. Geburtstag und vier Tage nach Raffaels 473. Geburtstag und 436. Todestag als Sohn seines Vaters und seiner Mutter in Landau/Pfalz geboren. Drei Tage später stirbt Emil Nolde in Seebüll.....“
Und so steckt ein Nachhall vom Gelächter pfälzischer Weinfeste in der Ehrung und Erklärung der Gegenwartskunst durch Stracks Spielzeugfiguren, Mickymaus-Hefte und anderen Kinderkram. Doch der Grat der Ironie ist schmal, die spontan schlüssige Herleitung macht schnell die Werkrezeption der zitierten Künstler lächerlich. Wolfgang Strack aber fordert für
1die bildende Kunst gleiche Rechte auf Humor ein, wie sie in der Musik und dem Theater selbstverständlich sind. Doch so sehr nach einem Tag voller tiefseriöser Arte-
1fakte ein Lachen in den Räumen von Wolfgang Strack befreit: zwischen Anlachen und Auslachen ist nur ein geringer Unterschied. Hajo Schiff
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