Der Sündenbock muß gehen

■ Thomas Springstein, Trainer von Katrin Krabbe, wurde vom SC Neubrandenburg fristlos entlassen

Berlin (taz/dpa) — „Herr Springstein gehört nicht zur Familie“, kappte Peter Krabbe, Vater der Sprinterin Katrin, vergangene Woche eiligst die Verbindungstaue zum Trainer seiner Tochter. Erstes Indiz dafür, daß die Bastion Neubrandenburg, die sich stets trotzig den vermeintlichen Intrigen übelgesinnter Feinde entgegengestellt hatte, vor dem Fall stand.

Kurz zuvor war bekannt geworden, daß, während die Neubrandenburger Athletinnen Katrin Krabbe, Grit Breuer und Silke Möller ihre Unschuld noch in alle Welt hinausposaunten, Thomas Springstein munter eine Kälbermastkur an ihnen ausprobierte. Seit dem 16.April hatte er ihnen täglich das Asthma- und Bronchialmittel „Spiropent“ verabreicht, welches die derzeitige Modedroge des Sports, Clenbuterol, enthält. Ein nicht-steroides Anabolikum, das die Muskeln rapide schwellen läßt und daher — ebenfalls illegalerweise — in der Viehzucht Verwendung fand, das außerdem stimulierend wirkt, in Sportlerkreisen als kaum nachweisbar gepriesen wurde und auf diversen Dopinglisten nicht ausdrücklich verzeichnet war. Neben dem US- Hammerwerfer Jud Logan wurden im Zuge von Olympia auch drei britische Athleten, darunter die Sprinthoffnung Livingstone, der Clenbuterol-Verwendung überführt.

Springstein gab nach einigem Drucksen zu, daß er sich ein wenig schuldig fühle, damit war der Sündenbock gefunden. Am Montag abend kündigte nach dreistündigen Beratungen der Vorstand des SCNeubrandenburg dem Trainer, gegen den auch die Staatsanwaltschaft wegen Medikamentenmißbrauchs ermittelt, mit sofortiger Wirkung. Die Vorstandsmitglieder werfen dem Trainer vor, „in verantwortungsloser Weise die Fürsorgepflicht gegenüber seinen ihm anvertrauten Athletinnen verletzt zu haben“. Über die Mitgliedschaft von Katrin Krabbe und Grit Breuer will der Vorstand erst nach Anhörung der Sprinterinnen vor dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) entscheiden.

Thorsten Krentz, Lebensgefährte von Katrin Krabbe und Vorstandsmitglied im Sportclub Neubrandenburg (SCN), hatte sich hinter Springstein gestellt. Bei der Sitzung des Vereinsvorstandes sprach sich Krenz gegen die fristlose Kündigung aus. „Ich habe den Beschluß nicht mitgetragen und meine Mitgliedschaft im Vorstand zur Verfügung gestellt“, sagte der ehemalige Kanute. Krentz konnte sich mit der Verfahrensweise der Vorstandsmitglieder, darunter Geschäftsführer Heiner Jank und der Arzt Bodo Seide, nicht einverstanden erklären. Er persönlich könne dem Trainer nichts vorwerfen, weil dieser nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe. Katrin Krabbe selber wolle sich erst äußern, nachdem das Treffen mit dem DLV stattgefunden hat.