: Unruhe als Vorbeben der Tragödie
Mit einem Stück von Márquez der venezolanischen Theatergruppe ■ Rajatabla
eröffnet heute Movimientos '92, das diesjährige Sommertheater auf Kampnagel
Theater könne die Politik lehren, den Menschen zu respektieren und nicht zu benutzen. So umschreibt Carlos Giménez, Leiter der venezolanischen Theaterorganisation Rajatabla, das spezielle Verhältnis der Kulturschaffenden zu den autoritären Herrschaftsstrukturen in Lateinamerika. Giménez, der 1967 aus Argentinien nach Venezuela emigrierte und dort mit Rajatabla und dem Festival von Caracas den wichtigsten Theaterstandort in Südamerika etablierte, versteht seine Arbeit im diesem Sinne als politisches Instrument.
Mit Der Oberst hat niemand, der ihm schreibt von Gabriel García Márquez eröffnet Rajatabla nun heute das diesjährige Sommertheater Movimientos '92. Das Stück über einen pensionierten Oberst, der seit sechzig Jahren auf einen Bescheid über seine Rentenansprüche wartet, formuliert diesen „Respekt“ als trotzige Hoffnung gegen die Widrigkeiten des Lebens; eine Haltung, die Giménez als das „Grundgefühl Lateinamerikas“ beschreibt.
Seine Inszenierung kämpfe gegen „ein vorgefertigtes Modell von Márquez“ und eine „literarische Struktur, die sehr starr“ sei, an, sagt Giménez. Um die „Unruhe, die die Tragödie vorhersagt“ darzustellen, verlegt er die ganze Aktion des kurzen Romans in einen Raum und läßt diesen, statt des Oberst, sich bewegen. Wände weichen zurück und versinnbildlichen die zunehmende Einsamkeit des Oberst, der jeden Tag von neuem seiner Frau erklären muß, wo denn das Geld bleibt.
Rajatabla existiert mittlerweile seit 21 Jahren und ist inzwischen nicht nur Theatergruppe, sondern auch Ausbildungsstätte für Jugendliche und Regienachwuchs. Trotz der Leitungsfunktion Giménez' ist das Theater ein „kollektives Arbeitsprojekt“ geblieben. Ihr Repertoire umfaßt sowohl europäische Klassiker als auch bekannte und unbekannte lateinamerikanische Stücke. Mit dem Festival von Caracas hat Giminez, der in Amerika bereits diverse Auszeichnungen einheimste, außerdem eines der größten Theatertreffen der Welt gegründet, auf dem Gruppen und Regisseure aus aller Welt ihre Arbeiten vorstellen. Till Briegleb
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen