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Die Wüste lebt nicht

■ „White Sands“ — Roger Donaldson hat einen Krimi in den Sand gesetzt

Mit dem Leinwandkrimi Hollywoodscher Machart geht's offensichtlich immer weiter bergab. Die dünnen Geschichten werden mit einer deftigen Portion Sex aufgemöbelt, ersaufen im Blutrausch der Schockeffekte oder sind so kompliziert gestrickt, daß am Ende ein Gordischer Knoten übrigbleibt. Vielleicht hat Regisseur Roger Donaldson ja an Dante gedacht, der einst bemerkte, daß es kein größeres Leid gebe, als sich in den Tagen des Elends an glücklichere Zeiten zu erinnern. Bei den ersten Bildern von „White Sands“ denkt man unweigerlich an die letzte Einstellung seines spannenden Pentagon-Thrillers „No Way Out“ von 1986. Damals war es Kevin Costner, der in seinem Wagen, aufgenommen von einem immer höher steigenden Helicopter, im Straßengewirr von Washington D.C. verschwand. In „White Sands“ stößt der Hubschrauber mit der Kamera gleich zu Beginn langsam auf die Wüste New Mexicos herab und begleitet ein Auto, das an einem tiefen Canyon entlangrast. Sehr beeindruckend. Auch die Aufgabe, die den Fahrer des Wagens, Sheriff Ray Dolezal (Willem Dafoe), mitten in der Einöde erwartet, läßt noch auf eine aufregende Crime- Story hoffen: In den Ruinen einer alten indianischen Kultstätte liegt eine Leiche, neben ihr ein Revolver und ein Aktenkoffer mit einer halben Million Dollar. Mord? Selbstmord?

Ungefähr sieben weitere Minuten, in denen Sheriff Dolezal den Namen des Toten ermittelt, schafft es der Australier Donaldson den Zuschauer zu fesseln, danach lösen sich Glaubwürdigkeit, Spannung und Logik des Films langsam, aber stetig auf: Um den Fall endgültig aufzuklären, kommt Dolezal auf die hirnrissige Idee, die Identität des toten Wüstenmannes anzunehmen. Prompt betreten ein gutes Dutzend Agenten des FBI und der CIA die Szenerie — alle natürlich abgrundtief schlecht und hundsgemein. Dann taucht aus der Tiefe des Sumpfs ein schmieriger Waffenhändler auf, Mickey Rourke spielt wieder einmal sein eigenes Abziehbild, und natürlich die unvermeidliche schöne und geheimnisvolle Frau (Mary Elizabeth Mastrantonio). Alle kämpfen gegen alle. Kein Mensch blickt mehr durch, und Willem Dafoes ansonsten beeindruckende Mimik versteinert.

Der ganze Brei wird aufgekocht, mit ein paar Schießereien und Sadismen gewürzt und schließlich zum Abkühlen in die Wüste getragen, zu jenem titelgebenden National Monument White Sands. Am Ende des konfusen Dramas stapft ein böser schwarzer Mann durch den weißen Sand der Dünen. Schwer symbolisch? Irgendetwas will uns Donaldson garantiert sagen, nur: Er sagt es nicht. Vielleicht hätte er sich für seinen Krimi aus dem Fundus von David Lynchs „Wüstenplanet“ ein paar dieser monströsen Sandwürmer ausleihen sollen, dann hätte er auch noch einen surrealen Aspekt einbauen können — in bestimmten Kreisen wäre das Ding rasch zum Kultfilm mutiert.

Karl Wegmann

Roger Donaldson: „White Sands“. Mit Willem Dafoe, Mickey Rourke, Mary Elizabeth Mastrantonio; USA 1992, 101Min.

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