: Gefönte Otter zur Kur verfrachtet
■ „Das Alaska-Syndrom“, die Exxon-Katastrophe, 23Uhr, ARD
„Wir sind auf Grund gelaufen und verlieren etwas Öl...“ Dieses „etwas“, das der schwer betrunkene Kapitän des Super-Tankers „Exxon Valdez“ da am 24.März 1989 lakonisch der Küstenwache Alaskas funkte, entpuppte sich bald als die bis dahin größte Öl-Katastrophe in der Geschichte der USA. Damals gingen wieder jene Bilder von ölverschmierten Vögeln und Robbenbabys um die Welt und sorgten allerorten für die übliche „Betroffenheit“.
Im Zentrum des Dokumentarfilms, den Axel Engstfeld im Zeitraum von zwei Jahren über jene Katastrophe drehte, stehen weniger die „schockierenden Bilder“, sondern die gigantischen PR-Aktionen, mit der Exxon seinerzeit versuchte, das ramponierte Firmen-Image wieder aufzupolieren. So ließ der Energie- Multi ganze Heerscharen von Journalisten einfliegen, die brav über die teilweise simulierten Reinigungsaktionen des Konzerns berichteten. Auch ließ man für Unsummen ein paar ölverschmierte Otter telegen shampoonieren und verfrachtete sie anschließend frisch gefönt zur „Kur“ nach Kalifornien, obwohl ihre Überlebenschancen von vornherein gleich null waren.
Jenseits von derartigen Skurrilitäten im Umgang mit der Katastrophe zeichnet Engstfeld mit Hilfe einer Fülle von Archivbildern das Porträt eines Bundesstaates, der auf Gedeih und Verderb dem Kommando der Öl-Multis ausgeliefert ist.
Am sinnfälligsten in diesem Zusammenhang jene Szene, in der Richard Nixon im Kreise einer schäkernden Herrenrunde aus Ölmagnaten und Politikern die Genehmigungen zum Bau der Trans-Alaska-Pipeline unterzeichnet.
Last not least hat Engstfeld mit Opfern und Gewinnlern der Katastrophe gesprochen. Arbeitslos gewordene Fischer kommen zu Wort, die von Exxon mit hohen Löhnen für ihre Mithilfe bei den Säuberungsarbeiten zum Schweigen gebracht wurden, ebenso wie jener pfiffige Pizza- Bäcker, der, als er von der Katastrophe hörte, flugs seine Koffer packte und aus der sonnigen Karibik nach Alaska eilte. Seine Erklärung: Alles, was in Alaska mit Öl zu tun hat, bringt Geld. Ob nun normal gefördert oder in Form einer Katastrophe, ist dabei für einen Pizza-Service völlig wurscht.
„Das Alaska-Syndrom“ ist ein gut gemachter, aufwendiger 35-mm- Dokumentarfilm, der sich wohltuend von jenen eiligst zusammengeschusterten Schnellschüssen abhebt, die man im Fernsehen ansonsten so vorgesetzt bekommt.
Ganz zu schweigen erst von jenen dilettantischen bis unfreiwillig komischen Episoden, die Axel Engstfeld selbst inzwischen für den RTL- Feger „Auf Leben und Tod“ abdreht. Reinhard Lüke
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