: Frontenbildung
■ Die wichtigsten Mudschaheddin-Gruppierungen
Die in der Vergangenheit bestimmende religiöse Trennungslinie zwischen sunnitischen und schiitischen Rebellengruppen ist inzwischen durch ethnische Differenzen überlagert worden. In den aktuellen Kämpfen stehen sich vor allem Tadschiken und Usbeken auf der einen Seite und Paschtunen auf der anderen Seite gegenüber. Der Paschtunenführer Hekmatyar führt eine Offensive gegen die von dem Tadschiken Rabbani geführte Übergangsregierung. Rabbani und sein Verteidigungsminister Achmed Schah Massud, ebenfalls ein Tadschike, sind wiederum mit dem Kommandanten der Usbeken-Milizen, Dostam, verbündet. Während des Kampfes gegen die sowjetische Besatzungsmacht und die prosowjetische Regierung in Kabul waren die Kämpfer Rabbanis und Hekmatyars noch in einem Zweckverband der sunnitischen Rebellengruppen vereint. Insgesamt umfaßte dieser Verband der sunnitischen Mudschaheddin, der seinen Sitz im pakistanischen Peschawar hatte, sieben Gruppierungen:
1. Die Dschamiat-i-Islami (Islamische Vereinigung) unter Leitung Rabbanis, der als pragmatischer Islamist gilt. Seit Ende Juni ist er Chef der Übergangsregierung. Berühmtester Kommandant der Dschamiat ist der derzeitige Verteidigungsminister Massud. Ein Großteil der Dschamiat-Kämpfer gehört den vor allem im Norden ansässigen Volksgruppen der Tadschiken und Usbeken an.
2. Die Hesb-i-Islami (Islamische Partei), geführt von dem radikalen Islamisten Hekmatyar. Schon während des Bürgerkrieges wurde Hekmatyar vorgeworfen, mehr gegen die anderen Rebellengruppen zu kämpfen als gegen die sowjetisch-afghanischen Truppen. Seit dem Sturz Nadschibullahs hat Hekmatyar eine führende Rolle bei der Neugestaltung Afghanistans beansprucht. Die Mehrzahl seiner Hesb-Kämpfer ist paschtunischer Volkszugehörigkeit, die in Afghanistan traditionell die politische Vorherrschaft hatten.
3. Die Hesb-i-Islami/Chalis (Islamische Partei/Chalis-Fraktion), eine ebenfalls pragmatisch orientierte Islamistengruppe unter Führung von Junis Chalis. Sie trennte sich 1979 von der Gruppe Hekmatyars, weil sie dessen revolutionär- islamische Vorstellungen nicht teilte. Verwurzelt ist diese Gruppe vor allem in den Paschtunen-Stämmen in den östlichen Grenzprovinzen und um Dschalalabad.
4. Die Ittihad-i-Islami (Islamische Union) unter Rasul Sajjaf. Sie wurde 1983 gegründet und wird von Saudi-Arabien mit Finanzmitteln unterstützt. Sajjaf gehört wie die saudische Königsfamilie den Wahhabiten an, einer streng orthodoxen Richtung des sunnitischen Islam.
5. Die Dschabha Nidschat-i-Milli (Nationale Befreiungsfront für Afghanistan), die sich offiziell zu dem 1973 vertriebenen König Sahir Schah bekennt. Ihr Führer Sibhgatullah Mudschaddidi wurde nach dem Sturz Nadschibullahs Führer der ersten Übergangsregierung.
6. Die Mahas-Islami (Nationale Islamische Front Afghanistans), geleitet von Pir Sajed Achmed Gailani, einem traditionellen islamischen Führer (Pir) des mystischen Sufi-Ordens. Gailani setzt sich für die Rückkehr des früheren Königs von Afghanistan, Sahir Schah, ein.
7. Die Harakat-Inkilab-Islami (Bewegung der islamischen Revolution), geführt von dem Korangelehrten Nabi Mohammedi. Diese Gruppe hat vor allem Anhänger unter den königstreuen Stämmen im Süden Afghanistans. AFP
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