piwik no script img

„Kein Grund für Intervention von außen“

■ Die Serben in Bosnien versuchen, durch Entgegenkommen das militärische Eingreifen des Westen zu verhindern/ Entscheidung des UNO-Sicherheitsrates für den heutigen Donnerstag erwartet

Belgrad/Genf (AFP/taz) — Hat die geplante Resolution des UN-Sicherheitsrates die Serben zum Einlenken gebracht? Dieser Ansicht wollte sich zumindest Sylvana Foa, Sprecherin des Flüchtlingskommissariats der UNO (UNHCR), nicht verschließen: Seitdem sich England, Frankreich und die USA darauf geeinigt hatten, „alle notwendigen Maßnahmen“ zu ergreifen, um die Hilfslieferungen in die umkämpften Städte Bosniens militärisch zu schützen, würden sich für diese Lieferungen täglich neue Landwege öffnen.

Eine direkte Verbindung zwischen militärischen Drohungen und der „Kooperation mit der UNO“ stellte auch das Parlament der selbsternannten Serbenrepublik in Bosnien her: Um eine militärische Intervention zu verhindern, werde man die Hilfkonvois nicht mehr behindern, die Gefangenenlager Inspektoren zugänglich machen. Und tatsächlich: Zum ersten Mal konnte ein Konvoi aus drei Lastwagen die von den Serben belagerte nordwestbosnische Stadt Bihac erreichen.

Doch gerade am Beispiel Bihac wird die Doppelzüngigkeit der serbischen Politik deutlich: Nach „Angeboten“, die die Serben der UNHCR unterbreiteten, sollen aus der zu 80 Prozent moslemischen Region bis zu 28.000 BewohnerInnen vertrieben werden. Wenn es den Vertretern der UNHCR, die am Mittwoch nach Bosnien reisten, nicht gelingt, diesen Exodus zu verhindern, käme es so zur bisher größten „ethnischen Säuberung“ in Bosnien.

Die Moslems, die in der kroatischen Stadt Karlovac eine erste Zufluchtsstätte finden sollen, sind nach Angaben der UNO noch nicht an einem Platz „konzentriert“: Zwar gebe es bereits größere Gruppen, die auf ihren Abtransport warten, andere würden dagegen in ihren Häusern ausharren. Sie sind nicht bereit, mit einer Unterschrift „freiwillig“ auf ihren Besitz zu verzichten.

Keine eindeutige Position gibt es aber auch in der serbischen Diskussion über die Gefangenenlager in Bosnien: Während die Serben in Bosnien einerseits ankündigen, zwei der Lager zu schließen, ist selbst die demokratische Opposition in Belgrad der Ansicht, daß es sich bei den Berichten über die Lager um eine gutgezielte Propagandakampagne der Moslems handelt.

Unterdessen haben sowohl die bosnische Regierung als auch serbische Politiker ihre Kritik an der UNO-Resolution formuliert. Zwar sieht der bosnische Präsident Alija Izetbegovic die Resolution als einen ersten Schritt in die richtige Richtung, einer seiner Mitarbeiter befürchtet dagegen, daß die Bosniaken bei einem Eingreifen des Westens nicht für „ihre Freiheit kämpfen können“. Mit deutlicher Kritik an den UNO-Truppen: „Das Beispiel des Flughafens in Sarajevo hat gezeigt, daß wir diesen nicht kontrollieren können, selbst wenn wir die Macht dazu hätten.

Andere bosnische Politiker forderten dagegen erneut einen militärischen „Schlag“ des Westens gegen die serbische Artillerie rund um Sarajevo. Der UNO-Botschafter Bosniens stellte fest, daß der Text der Resolution die Serben wohl kaum von ihren ethnischen Säuberungen abhalten werde. Erneut forderte er außerdem die Aufhebung des Waffenembargos gegen sein Land.

Vor den „unabsehbaren Konsequenzen“ einer Intervention, für die es „keinen Grund“ gebe, hat die jugoslawische Regierung gewarnt. Die Belgrader Zeitung Politika ist der Ansicht, daß der Westen sich nicht auf etwas einlassen solle, was er nicht verstehe: „Westliche Soldaten werden für eine Packung Zigaretten getötet werden. Der Krieg in Bosnien hat seine eigene Moral, das wichtigste ist das Überleben.“

Bei einem Besuch in der Türkei, die sich vehement für eine militärische Aktion in Ex-Jugoslawien einsetzt, hat auch der jugoslawische Regierungschef Panic seine Ablehnung der Intervention zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig drängte der US- Serbe Ankara jedoch, sich bei der Suche nach einer Konfliktlösung auf dem Balkan zu beteiligen.

Über die Form des Militäreinsatzes werden am kommenden Wochenende Experten der Nato und der Westeuropäischen Union (WEU) beraten. Bisher ist geplant, daß die USA im Rahmen der Nato den Einsatz in der Luft, die WEU den Einsatz am Boden sichern.

Bei der morgen in Genf beginnenden zweitägigen Sondersitzung der UNO-Menschenrechtskommission werden keine neuen Informationen über die Gefangenenlager im ehemaligen Jugoslawien vorliegen: Bekannt sei lediglich, was in der Zeitung stehe. Die Kommission wird voraussichtlich einen eigenen Berichterstatter ernennen, der in den kommenden Wochen Informationen sammeln soll. In einem bereits weitgehend fertiggestellten Schlußdokument wird sie lediglich in allgemeiner Form an alle Konfliktparteien appellieren, die Menschenrechte einzuhalten und Zugang zu allen Lagern zu gewähren. her/azu

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen