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Der neue Mauerbau: Ostertorpark ist zu

■ Ein Verein und Anwohner des Ostertorparkes haben die Grünfläche im Viertel eingezäunt

Jürgen Söncken ist keineswegs begeistert über das, was er da tut, aber: „Was soll ich denn sonst machen?“. Innerhalb einer großangelegten Aktion hilft er gerade, ein Stück Bauzaun an eine Halterung anzuschweißen. Der Ostertorpark im Viertel ist nicht mehr frei zugänglich. Seit gestern sperrt ein hoher Bauzaun das Gelände ab: Die Junkies sollen endlich verschwinden. „Eine Selbstschutzmaßnahme“, erklärt Anwohnerin Gabi Schneider.

Seit Sommeranfang hat sich das Treiben im Park für alle Anwohner zu einem Live-Horror entwickelt. Tagsüber drückende Abhängige im Park, Prostitution vor den Augen der Kinder, Kot, Spritzen, nachts bis zu 50 Junkies, die hier übernachtet haben. „Wir haben es einfach nicht mehr ausgehalten“, sagt Anwohner Klaus Bareiss.

Viele Abhängige haben Verständnis für die Anwohneraktion. „Eigentlich ist das nicht schlecht, vielleicht merkt ja jetzt jemand, daß auch wir irgendwo hinmüssen“, sagte der 32jährige Werner. Und auch Ingrid (32) und Alexan

Selbstschutz im OstertorparkFoto: Chrostoph Holzapfel

der verstehen die Leute: „Wir brauchen hier einen Druckraum, dann würde hier endlich Ruhe eintreten“, sagt Ingrid. Beide haben sich für die kommende Nacht bereits in einem Abbruchhaus einquartiert.

Bitte die Zaunaufstellung

Der Ostertorpark ist bremisches Eigentum, das an den Verein Ostertorpark für die Dauer von zehn Jahren verpachtet worden ist. Ein Zaun ist rechtlich nicht problematisch. Er kostet Anwoh- ner und Vereinsmitglieder 2.200

Mark Miete für ein halbes Jahr, 200 Mark haben die Ostertor- Kaufleute zugeschossen. „Wir hoffen, daß der Senat den Rest zahlt“, sagt Gabi Schneider.

Die Kinderschule Körnerwall, der Ostertorpark-Verein und die Anwohner wollen den Zugang zum Gelände jetzt mit einer Aufsicht regeln. Die ABM-Stelle des Vereins wird zu einer Art Pförtneramt umfunktioniert: Kinder dürfen zu bestimmten Uhrzeiten auf den Platz, alle anderen müssen draußen bleiben.

„Traurig und verständlich“, kommentierte Ortsamtsleiter Heck die Anwohnermaßnahme. Die Bevölkerung habe sich lange konstruktiv verhalten, „bis es nicht mehr zu ertragen war“. Heck appellierte erneut an den Senat, ein Drogen-Sofortprogramm zu verabschieden. „Wenn das jetzt nicht beschlossen wird, gibt es nach Verabschiedung des Haushaltes zwei Jahre kein Geld“, fürchtet er.

Verständnis hat auch die Referentin des Innensenators, Merve Pagenhardt. „Für das, was sich hier abspielt, trägt der Gesamtsenat die Verantwortung“, sagt sie. Der müsse endlich erkennen, daß Abhängige krank sind. „Polizei allein reicht hier nicht.“

Gesundheits- und Sozialsenatorin Irmgard Gaertner „kann verstehen, daß das positive Lebensgefühl der Anwohner beeinträchtigt ist, aber ich muß mich doch auf die Seite der schwächeren stellen.“ Drogenabhängige hätten wie alle anderen Menschen auch ein Recht auf Wohnung und Arbeit, und „wenn sie die hätten, hätten wir die Probleme nicht.“ Die Forderung der Junkies nach Druckräumen mochte sie sich nicht anschließen. „Ich persönlich bedaure das, aber nach der bisherigen BTM-Gesetze würde da sofort der Staatsanwalt eingreifen.“ Aber sie tröstet: „Wir arbeiten daran.“

Als Reaktion auf die Umzäunung des Ostertorparkes besetzen Junkies am nachmittag für zwei Stunden die Sielwall-Kreuzung. Ihre Forderung: Ein Druckraum im Gebäude des ehemaligen Penny-Marktes am Ostertorsteinweg 45. mad

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