Voll daneben getanzt

■ Company Esther Linley mit Borges & I bei Movimientos 92

mit Borges&I bei Movimientos 92

Zeuge eines Entstehungsprozesses sollte das Publikum am Freitag in der K2 auf Kampnagel werden. Im Rahmen von Movimientos 92 war eine österreichische Produktion unter der Leitung einer englischen Choreographin über das Werk eines argentinischen Schriftstellers angekündigt. Offene Proben gehören zum Entwicklungskonzept der Company Esther Linley und ihrer ersten Produktion Borges and I nach Texten des 1986 gestorbenen Autoren, Lyrikers und Essayisten Jorge Luis Borges. Zwei Jahre hatte die englische Choreographin Esther Linley Zeit, an dem ersten Stück ihrer Company zu basteln. Das Experiment, das von zwei Kulturveranstaltern, den Wiener Festwochen und der Szene Salzburg, abgesichert ist, begann im vergangenen Jahr und hat seitdem mehrere Work-In- Progress-Vorstellungen erlebt.

Erfreulich ist, daß eine Gruppe von Tänzerinnen, Tänzern und Schauspielern neben der Kunst nicht noch ums Überleben kämpfen muß, weniger Erfreuliches ist von dem zu berichten, was auf Kampnagel zu sehen war: Verunglückte Bruchstücke einer Choreographie, die mit ihrem abstrakten Thema zu diesem Zeitpunkt völlig überfordert scheint. Zu Beginn wird die Probensituation signalisiert: Drei Frauen und vier Männer in Gymnastikkleidung schütteln Arme und Beine aus. Übergangslos wird aus den lockeren Aufwärmübungen

1oberernstes Spiel. Zwei Männer spielen Luft-Schach auf der Vorderbühne, aha, das muß der Borges sein, der mit seinem Alter Ego konversiert. Sie sprechen sich nicht an, sondern frontal zum Publikum vor sich hin, das Borges' Sätze unvermittelt vorgeworfen bekommt. Im Hintergrund der Bühne beginnen die anderen auf dem Boden liegend zu zappeln, bilden gemeinsam etwas wie einen Fluß und nach hörbarem Aus- und Einatmen, das noch von Lautsprechern verstärkt wird, werden die Tänzer zum Meer, das an die Rampe spült. Eine lustige Seefahrt deutet sich an.

Schließlich nehmen die Tänzerinnen und Tänzer auch noch Bücher

1zur Hand und durchmessen lesend den Bühnenraum. Daß Lesen zu den langweiligsten Tätigkeiten auf der Bühne gehört, ist hier nicht anders. Rätselhaft bleibt, welche Bedeutung nun gerade im Schwange ist. Später sitzen die Akteure an einer langen Tafel, geben wie Akkordarbeiter Bücher von Hand zu Hand, und das so possierlich, als ob nach „Cats“ nun das Musical „Books“ heranreift. Über die Bühnenmusik des mittanzenden Komponisten Hans-Joachim Roedelius sei freundlich geschwiegen. Das einzige, was dieses Projekt noch retten könnte, ist ein Wunder. Julia Kossmann

noch heute, K2, 19.30 Uhr, anschließend Diskussion mit Esther Linley