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Tests sorgen für Streit bei Opel-Eisenach

■ Arbeiter, die einem Einstellungstest unterzogen werden sollen, fühlen sich an alte DDR-Zeiten erinnert

Erfurt (taz) — „Ich dachte erst, es geht um ein Quiz, wie bei RTL oder Sat.1“, erzählt der arbeitslose Eisenacher Motorenschlosser Holger K. seinen Kumpels in der Kneipe. „Wo man ein Auto, eine Reise oder wenigstens einen Schlafsack gewinnen kann. Aber es war nichts mit Reise oder Schlafsack. Die Säcke von Opel, wo ich mich um Arbeit beworben habe, wollten nichts anderes, als mich mit so einem albernen Test ausquetschen. Wahrscheinlich ob ich bescheuert genug bin, so wie früher den Rachen zu halten, und in der Lage, einen Schraubenzieher richtig anzusetzen, um ihre Kisten ordentlich zu montieren.“

„Ausquetschen ist nicht bei mir, früher nicht und heute nicht“, hat Holger den Opel-Leuten entgegengehalten und angeblich dann noch gesagt, „in ein paar Jahren werden dann wieder Akten geöffnet, und unsereiner hat dann vielleicht bei so 'nem Test zuviel gequatscht und wird dann wieder einmal vorgeführt.“ Der schon fast sicheren Einstellung hat Holger trutzig den Rücken gekehrt und will lieber so lange weiterstempeln, bis er eine Firma gefunden hat, die ihn nicht testen will, wie das die Opel-Leute vorhatten.

Holger steht mit seinen Ängsten nicht allein. Zahlreiche Arbeitsuchende springen, obwohl die Chancen für eine Einstellung zur Zeit in Eisenach hervorragend sind, sobald sie von dem Testprocedere hören, schleunigst wieder ab. Opel sucht zur Zeit intensiv nach Fachkräften im gesamten Eisenacher Raum, und jeder Facharbeiter hat gute Karten, eingestellt zu werden. Dennoch tun sich viele der mißtrauischen Südthüringer schwer, den Testern Rede und Antwort zu stehen. Dabei besteht nach den Worten eines Sprechers von Opel nicht der geringste Grund zur Beunruhigung. Man brauche vor diesem Test keinerlei Angst zu haben. Die Verunsicherungen seien deshalb entstanden, weil man hier bisher so etwas nicht kannte. In jenem Verfahren ginge es noch nicht einmal um fachliche Eignung, lediglich um kommunikative Fähigkeiten. So wird beispielsweise getestet, ob ein Bewerber in der Lage ist, in einem Team zu arbeiten oder ob er eher ein Einzelgänger ist. So stehen Spiel und Gruppenbeobachtung ebenso auf dem Programm, wie Selbstsicherheit und Selbstvertrauen unter die Lupe genommen werden. Die IG Metall sieht das alles völlig anders. Sie zeigt Verständnis für jene Kollegen, die abspringen, sobald von Testen auch nur die Rede ist. Sogar eine gefährliche Entwicklung fürchtet die Gewerkschaft heraufziehen. „Es werden anpassungsfähige Leute ohne Kanten gesucht“, äußerte sich die IG-Metall-Bevollmächtige Renate Hemmsteg-von Fintel.

Einen wesentlichen Fakt haben die Opel-Tester und die IG Metall bei der ganzen Angelegenheit freilich völlig außer acht gelassen. In einem Landstrich, in dem schon ein Halbsatz, der mit der Frage beginnt: „Wissen Sie ...?“, die blitzartige Antwort heraufbeschwört: „Ich weiß gar nichts und will auch nichts wissen“, müssen andere, basisnähere Technologien entwickelt werden, um in Erfahrung zu bringen, wes Geistes Kind die drögen Leute sind.

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