Ein Flop im Maisfeld

■ Landschaftsinszenierung als Weihespiel / Schöner Schauplatz, aber keine Idee

Die Natur stellt dem Menschen Fallen. Nicht nur der wild wuchernde Dschungel kann tückisch sein, auch die gebändigte, die angepaßte Natur kann sich dem menschlichen Verlangen entziehen, das sich frevelnd an ihr vergreift. In diesem Fal war es ein Maisfeld, auf das der ästhetische Ehrgeiz einer Gruppe von KünstlerInnen gerichtet war, die in das Feld hinein und aus dem Feld heraus ein Bildertheater entwickeln wollten, das ihre Eindrücke, ihre Faszination festhielte.

Der Frevel bestand darin, daß sie mit dem natürlichen Spielfeld nichts anzufangen wußten. Dabei hatte der Wettergott am Premierentag trotz morgendlicher Sturmböen ein Erbarmen. Der Abendhimmel war aufgeräumt, das letzte Sonnenlicht verlöschte, und über dem hochgewachsenen Silo-Mais blitzten die Sterne. Die Gruppe „Das letzte Kleinod“ (DLK) hatte mit Hilfe des Bremerhavener Gartenbauamtes Gassen ins Feld geschlagen und verschieden große, kreisförmige, rechteckige und dreieckige Plätze eingeschnitten, die sich den 100 BesucherInnen bei ihrem Marsch zwischen den Pflanzen überraschend öffneten, und die mit schwachem Licht geschickt ausgeleuchtet waren.

„Dem Maisfeld wird außer der Idee und einigen Hilfsmitteln nichts zugefügt“, heißt es im Programmheft. Was wahrscheinlich als vorbeugender Trost für eifernde Naturschützer gedacht war, verrät das Dilemma dieser Landschafts-Inszenierung: DLK ist nichts eingefallen, was sie auf den bizarren, abendlich-nächtlichen Schauplätzen hätten anbieten können. Sechs junge Frauen in olivgrüner Uniform rutschen auf Knien übers Feld dem Lichtstrahl entgegen, eine womöglich Nackte bewegt sich raschelnd hinter einer Pflanzenreihe („Eva 390“ heißt die verwendete Maissorte), die Frauen schleichen barfuß, mit verbundenen Augen, Hand in Hand in einem labyrintisch angelegten Wassergraben, sie pochen mit Hämmern auf Holz, mit Holz auf die Erde. Sie ziehen Kreise, sie entfernen sich sternförmig voneinander, sie werfen Erde auf, die angeleuchtet zu Boden weht — alles geschieht schweigend und sehr langsam. Ein Weihespiel für Mutter Erde, dessen Banalität ins unfreiwillig Komische umschlägt. Keine Spur von Ironie, kein Witz, nur feierlicher Ernst, dräuendes Pathos.

Da ging selbst den gutwilligen BesucherInnen nach einer halben Stunde die Sprache verloren, mit der sie zunächst noch tuschelnd kunterbunt assoziierten („Der Fänger im Roggen“). Nach 80 Minuten verließen die sprachlos das Maisfeld, um sich ins Bierzelt zu begeben, wo es immerhin Kartoffelsalat und Würstchen gab. Das Bilder-Theater unter der Leitung von Jens-Erwin Siemssen (Regie) und Birgit Kratzheller (Formgebung) hatte selbstgefällige Langeweile verbreitet, seine Ästhetik legte schreckliche Assoziationen an BdM-Weihespiele nahe und blieb darüber hinaus schmerzhaft dilettantisch. Die Gruppe hatte die schönen Möglichkeiten, die sie sich mit den ungewöhnlichen Ort selbst geschaffen hatte, auf billige Weise verschenkt. Offensichtlich mangels irgendeiner Idee — außer der einen: Machen wir's mal im Maisfeld! hans happel

Wer sich selbst ein Bild machen will, sollte eine Taschenlampe mitnehmen, eine unentbehrliche Hilfe bei der Nachtwanderung zurück zum Parkplatz. Weitere Vorstellungen: 25.-29.8., 21 Uhr; Das Maisfeld liegt an der L 135 zwischen Bremen und Bremerhaven auf der Höhe von Driftsethe, es ist ausgeschildert.

Karten tel.: 0471-414616