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KOMMENTARESchweriner Zynismus

■ Die politisch Verantwortlichen für den Pogrom in Rostock üben sich in Schuldabwehr

Auf die gnadenlose Vertreibung der Asylbewerber aus Rostock folgt jetzt die gnadenlos- zynische Nach-vorne-Verteidigung der Schweriner Landesregierung. Allen voran Ministerpräsident Berndt Seite weiß, wen es zu schützen gilt, nachdem die angegriffenen Ausländer ohne Schutz geblieben sind. „Hervorragende Arbeit“ darf Seite seinem Innenminister bescheinigen, der selbst auch nicht weiß, was er sich eigentlich vorwerfen könnte. Einstimmig, ohne Wenn und Aber stellt sich auch die Union im Landtag hinter ihren Minister. Brandflaschenwerfende Rechtsradikale, applaudierende Bürger, diskrete Polizei — auf das, was in Rostock nunmehr seit Tagen geschieht, verschwendet die Regierungspartei keinen Gedanken.

Schadensbegrenzung reduziert sich in Schwerin derzeit ganz auf die Schuldabwehr der politisch Mitverantwortlichen. Dabei bildet sich ein beispielloses Muster heraus: Hartherzigkeit gegenüber den Opfern, Verständnis für die Motivlage der Täter sowie eine von den brutalen Ereignissen selbst gänzlich ungerührte Selbstgerechtigkeit. Nicht einmal mehr die obligaten Floskeln der Betroffenheit oder der Scham gegenüber den aus Rostock Vertriebenen glauben sich Seite und Co. noch leisten zu können, bevor sie ihre Hände in Unschuld waschen. Das bereits von Hoyerswerda her bekannte Phänomen — Bürger, die dem offenen Rassismus applaudieren — erscheint im Schweriner Rechtfertigungsreigen nur noch als Ausdruck sozialer Überforderung. Ein Zustand, dessen Unerträglichkeit — so muß man folgern — mit der Evakuierung der verängstigten Menschen erfolgreich gemildert werden konnte.

Am Ende löst sich das konkrete Geschehen von Rostock in Seites vom Westen angelernter Hohlformel, Minderheiten umherziehender Links- und Rechtsextremisten bedrohten den Rechtsstaat. Doch dessen Gefährdung ergibt sich derzeit aus dem Zusammenspiel entfesselter Rassisten, zustimmender Bürger und ignorant-opportunistischer Politiker, die mehr oder weniger direkt den Willen der Gewalttäter in Asylpolitik übersetzen. Weil es für diese Mischung außer konsternierter Ratlosigkeit keine wirkliche Antwort gibt, scheut man sich davor, die fälligen Schweriner Rücktritte überhaupt noch zu fordern. Weil man andererseits aber doch glaubt, ein Recht zu haben, von Politikern dieses Schlages nicht länger behelligt zu werden, erwartet man von ihnen jetzt einfach einen Abgang so lautlos und selbstverständlich, daß er als Scheinkompensation für die allgemeine Ratlosigkeit nicht taugt. Matthias Geis

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