SPD-Politiker an Pogromen mitschuldig

Auch SPD-Politiker sind in den Asyl-Skandal von Mecklenburg verwickelt/ Der Fraktionssprecher der Sozialdemokraten, Knut Degner, wurde gestern nach scharfer Kritik am SPD-Innensenator beurlaubt  ■ Von Claus Christian Malzahn

Schwerin/Berlin (taz) — Der Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion von Mecklenburg-Vorpommern, Knut Degner, hat im Zusammenhang mit den Rostocker Krawallen schwere Vorwürfe gegen SPD- Kommunalpolitiker erhoben. In einer Erklärung wirft Degner dem Rostocker Innensenator Peter Magdanz vor, die unhaltbaren Zustände in der Zentralen Aufnahmestelle in Lichtenhagen mit provoziert zu haben.

Magdanz habe ihm gegenüber in einem Gespräch zugegeben, daß es sehr wohl alternative Unterkunftsmöglichkeiten für die Roma gegeben habe. Es hätte beispielsweise in seiner Macht gestanden, die Asylbewerber in Turnhallen unterzubringen. Damit hätte man „den sozialen Sprengstoff in Lichtenhagen entschärfen können“, erklärte Degner. Magdanz habe solche Alternativen abgelehnt, weil — so erinnert sich Degner an die Worte des Politikers — „die Roma dann mit Rumänien telefonieren und man am nächsten Abend vor dem selben Problem steht“. Auch Rostocks SPD-Oberbürgermeister Klaus Kilimann habe der Entwicklung im Stadtteil tatenlos zugesehen.

Daß plötzlich nicht nur CDU-Politiker im Kreuzfeuer der Kritik stehen, scheint der SPD-Fraktion im Schweriner Landtag nicht zu gefallen. Gestern morgen beschloß der Fraktionsvorstand, den „Nestbeschmutzer“ mit sofortiger Wirkung bis Ende September vom Dienst zu beurlauben. Degner hatte selbst um eine Woche Urlaub gebeten — die Fraktion schickte ihn am Nachmittag gleich für einen ganzen Monat in die Ferien. „Degner hätte seine Äußerungen mit den Gremien der Partei abstimmen müssen“, begründete der Fraktionsreferent Reinhard Meyer die Beurlaubung. Darauf Degner zur taz: „Ich kann nur hoffen, daß meine Partei meine Kritik aushält. Ich mußte so handeln, um meiner Selbstachtung willen, ohne zu fragen, wem es nützt oder schadet.“ Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Harald Ringsdorff, hatte vergangenen Freitag noch lautstark den Rücktritt von Innenminister Kupfer gefordert. An der Entscheidung, Degner in Zwangsurlaub zu schicken, war er gestern maßgeblich beteiligt.

Mit scharfen Formulierungen hatte der Pressesprecher nicht gespart: „Keine Stunde länger dürfen Menschen wie Minister Kupfer, OB Kilimann und der Rostocker Innensenator Magdanz im Amt bleiben.“ Und weiter im Text: „Sie lügen, um ihre Haut, ihre Macht und ihre Sessel, ihre Versorgungsansprüche zu retten.“ Degners Vermutung: Die chaotischen Zustände in der überfüllten ZAST seien bewußt geduldet worden, um weitere Asylbewerber vom Kommen abzuhalten. Das habe Innensenator Magdanz auf einer Pressekonferenz am 25.August auch zugegeben: Je mehr Unterkünfte man schaffe, desto mehr Flüchtlinge kämen auch, zitierte Degner seinen Parteigenossen. Mit seiner Haltung habe Magdanz die Roma in ihrer Not zu politischer Manövriermasse zur Abschreckung anderer gemacht, sagte Degner. Diesen Vorwurf habe Magdanz „mit einem Achselzucken“ quittiert. Magdanz, Kilimann und Innenminister Kupfer hätten „mit dem Feuer gespielt und die Explosion erlebt“. Dafür müßten Sie nun die Verantwortung übernehmen. Degner ist bereit, seine Vorwürfe im jetzt eingesetzten Untersuchungsausschuß des Landtages unter Eid zu wiederholen. Der Rostocker Senat hat die Anschuldigungen gestern „entschieden“ zurückgewiesen. Innensenator Magdanz habe das „so nie gesagt“, erklärte Senatssprecher Haug der taz. Es hätte keine gezielte Absicht gegeben, die Verhältnisse in Lichtenhagen zuzuspitzen. Man sei mehrfach bei der Landesregierung vorstellig geworden und habe auf Veränderung der Unterbringungssituation gedrängt. Letzteres stellt Degner gar nicht in Frage — er behauptet aber, daß die Stadt in eigener Regie hätte tätig werden können. Falls Fehler gemacht worden seien, so der Senatssprecher weiter, werde man wohl „Konsequenzen ziehen“ müssen.