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■ Heitateita * Techtelmechtel, Di., 20.45 Uhr, West3
Familie Millowitsch im ARD- Dreierpack. Und das an einem Abend. Während Papa Willi und Bruder Peter im Ersten in drei Akten schwankten, mühte sich Mariele in West3, dem öffentlich-rechtlichen Frohsinn mit einer neuen Show ein Glanzlicht aufzusetzen. Im späten Abglanz des telegenen Paarungsfiebers beichteten Ver- und Getraute einander „Jugendsünden“. Da durften wir dann erfahren, daß ein veritabler Abhänger des amerikanischen Kuhhirtenwesens früher mal was (aber was?) mit einer anderen hatte, die jedoch leider starke Raucherin war. Seine Neue fand die Konkurrentin von ehedem auch schnell heraus und war ihr auch gar nicht gram. Na prima. Ende der Sendung? Von wegen.
Was würde nun noch kommen? Na klar, ein neues Paar, und das Ganze nochmal von vorne. Tolle Idee. So erbarmungswürdig schlicht das Konzept, so hausbacken brav die Kandidaten und so armselig die Vorstellung von Beichtmutter Mariele. Unsäglich, wenn die Tristesse auch noch schlüpfrig unterfüttert werden sollte. Da wußte ein Kandidat zu berichten, daß weiland das „Gras sehr feucht“ gewesen sei, und schon grölte das Studio-Volk vor Entzücken. Und als sei damit die Schmerzgrenze in Sachen Peinlichkeit noch nicht erreicht, kölschte Mariele gleich noch eins drauf: „Na, wat lacht ihr denn? Wiesen sinumal feucht!“
Man könnte diese Sternstunde der Hochkomik schlicht übergehen, steckte dahinter nicht Methode. Denn was sonst allenfalls auf Butterfahrten Heiterkeit stiften soll, entwickelt sich zunehmend zur Richtlinie öffentlich-rechtlicher Unterhaltung, mit der der WDR nun auch verstärkt die Sendezeit seines Dritten zukleistert, seit Programmchef Jörn Klamroth auch dafür die Parole von mehr Bürgernähe ausgegeben hat.
Daß die Gebührenempfänger in Sachen Einfalt den Vergleich mit der vielgeschmähten privaten Konkurrenz nicht zu scheuen brauchen, hätte dieses neuen Beweises kaum bedurft. „Techtelmechtel“ ist indes insoweit symptomatisch, daß bei diesem hilflosen Hinterherlauf mit starrem Blick auf die Quote vorwiegend Imitationen herauskommen, die noch weit armseliger ausfallen als die privaten Originale. Wo RTL wahrscheinlich prominente Seitensprünge oder doch zumindest handfeste Ehebrüche mit anschließender Keilerei aufgefahren hätte, versuchte man hier — eingedenk des öffentlichen-rechtlichen Keuschheitsgebotes — biedere Pubertätsschwänke als „Jugendsünden zu verhökern, die selbst King Woytila noch mit Lächeln bedacht hätte. Wenn man der privaten Armenspeise auch noch die Geschmackssurrogate Exhibitionismus respektive Voyeurismus entzieht, bleibt schließlich nur noch Armseligkeit pur. Reinhard Lüke
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