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Feinste Krötenschalen

■ Magdalena Santi, kämpferische Keramikerin aus Equador, stellt bei El Patio aus

Mitten aus dem Amazonas-Urwald ist sie nach Bremen gekommen, ihr Dorf Sarayacu liegt in Equador, man kann es nur über den Fluß oder mit dem Flugzeug erreichen. Magdalena Santi, eine Indigena (Indianerin) der Quichua ist Keramikmeisterin und zugleich Botschafterin ihres von amerikanischen Ölgesellschaften bedrohten Volkes.

In der Galerie El Patio sind die Quichua-Keramiken ausgestellt, fein getöpferte Schalen und Trinkgefäße, mit zarten Ziselierungen und warmen Farben, Produkte einer seit alters fortgeführten Dorftradition, die gleichwohl reißenden Absatz auf jedem hiesigen Kunstmarkt finden würden. Handlich und zum Gebrauch bestimmt sind die Keramiken und haben doch die Schönheit einer zweckfreien Kunst.

In die Baumharzglasur werden mit einem Pinsel, der nicht mehr als fünf (Kinder-)Haare hat, Ornamente gezeichnet, die Tiere des Urwalds symbolisieren: Ein kunstvolles abstraktes Rautenmuster steht für die Schildkröte, gebrochene Wellenlinien für Schlangen, Zickzackmuster für Schmetterlinge. Die Gefäße dienen zum großen Teil der Herstellung und Aufbewahrung von Chicha, einem vergorenen Maisgetränk, das vor allem am alljährlichen Frühjahrsfest viel und gerne von den Quichua-Indigenas getrunken wird.

In den großen Schalen sitzt ganz auf dem Grund ein kleines getöpfertes Tier. Der Sage nach nämlich hat einmal eine Quichua die beste aller Chichas gemacht, und nachher stellte sich heraus: sie hatte einen Frosch, oder einen Skorpion, oder eine Eidechse (genau weiß das niemand mehr) hinzugetan... Um das nicht in der Realität wiederholen zu müssen, gibt es also die praktischen Gefäße mit Töpfertier.

Nur die Frauen beherrschen die Keramik-Kunst. Männer, die mit dem Ton arbeiten, verlieren ihre sexuelle Potenz. Für immer, wenn sie ein Quichua sind, nur eine Nacht, wenn sie an Magdalena Santis Keramikworkshop in der Galerie El Patio teilgenommen haben...

Auch größere Tierfiguren töpfern die Indigenas. In jedem der kleinen zweizimmrigen Wohnhäuser des Dorfes steht die „Pacha Mama“, die Mutter Erde, von der die Frauen ihre Kermaikkunst geerbt haben. Eine männliche Kultfigur gibt es auch. Sie heißt „Der Berühmte“ und ist ein Jäger und Krieger mit scharfem Speer. Breit lächelt sein Mund mit riesigen Zähnen aus Ton.

In Wirklichkeit aber haben die Männer und Frauen der Qichua nichts zu lachen. Ihre einfache, naturverbundene Lebensweise am Amazonas ist durch den Raubbau amerikanischer Ölgesellschaften bedroht. Bäume, aus denen die Quichua den Harz für die Keramikglasuren gewinnen, andere, von deren Früchten sie leben, werden hektarweit gefällt. Die Kinder erkranken, weil die Flüsse ölverschmutzt sind. Die Fische sterben.

Ecuador lebt von seinen Ölvorkommen. Die Regierung arbeitet mit den Ölgesellchaften zusammen und verweigert den Indigenas, wo es nur geht, das meistens ja nicht verbriefte Recht auf ihren Grund und Boden.

Bevor Magdalena Santi zu den Kulturwochen „Dialog mit Lateinamerika“ nach Bremen kam, war sie mit 1000 Indigenas aus ihrer Dorfgemeinschaft zu einem „langen Marsch“ nach Quito, der Hauptstadt Ecuadors, aufgebrochen. 22 Tage waren sie unterwegs, 8 Tage brauchten sie, um ihren damaligen Präsidenten Rodrigo Borjas einen halbherzigen Nutzungsvertrag für ihre Länderein abzugewinnen. Magdalena Santi, die während unseres Gespräches ruhig und kühl mit den Dolmetscherinnen sprach, gerät in Bewegung, wenn sie von diesen Kämpfen erzählt. Ein erster Schritt zur Rettung der Quichua-Kultur ist getan. Magdalena Santi ist hier, weil sie auf eine europäische Öffentlichkeit hofft. Bald kehrt sie zurück nach Sarayacu, wo sie die DorfbewohnerInnen erwartungsvoll empfangen werden. Cornelia Kurth

Noch bis zum 13. September in der Galerie El Patio, Am Dobben 58

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