„Am liebsten hätte ich, daß die bald weg sind“

■ Der öffentliche Druckraum hat sich in die Bauernstraße verlagert / Polizei schickt Junkies zum Rembertikreisel

Ecke Bauernstraße / Blumenstraße: Junkies setzen sich die SpritzeFoto: Tristan Vankann

Behutsam beugt sich der junge Mann über das Mädchen, das trotz des heftigen Regens auf dem nassen Plaster liegt. Vertrauens

voll überläßt sie das Weitere ihrem Freund: Das Aufziehen der Nadel, die er dem Mädchen dann konzentriert in den Hals setzt.

Eine Szene, die jetzt täglich in der Bauernstraße und den umliegenden Gäßchen zu beobachten ist. Der Zaun gegen das Drogenelend, mit dem die AnwohnerInnen des Ostertorparks in der Weberstraße vor knapp zwei Wochen die Junkies aus ihrem Blickfeld verbannt haben, beschert jetzt den BewohnerInnen jenseits des Ostertorsteinwegs den Ausblick auf solch fürsorgliche, wie brutale Szenen.

Nur um wenige hundert Meter sind die Junkies von dem Drahtverhau um die Grünfläche weitergezogen. Für wie lange? „Das hält hier bestimmt auch nur zwei, drei Wochen, dann jagen sie uns hier auch weg.“ Werner, seit 17 Jahren drogenabhängig, hockt mit seiner Freundin auf dem Bürgersteig und kocht sich „sein Gift“ auf. „Kann ich verstehen, daß die uns vertreiben,“ meint er. „Viele lassen ihren Dreck und ihre Spritzen überall rumliegen.“ Er zeigt auf die anderen sechs Junkies, die ihre Spritzen aufziehen, Zitronensaft zum Auflösen des Stoffs weitereichen, oder versuchen, sich von einem der andreren einen Druck zu schnorren. Einige von ihnen sind breits so vollgepumpt, daß sie wie tot auf dem Plaster liegen — Kälte und Dauerregen dringen nicht mehr in ihr Bewußtsein.

Babiturate als Heroinersatz

Nicht Heron, sondern Rohypnol, domiert derzeit den Markt. Das Schlafmittel, in Tablettenform für 2 Mark 50 gekauft und in aufgelöster Form in die Venen gespritzt, macht die Abhängigen „völlg breit“. Außderdem, so berichtet Werner, haben die Junkies wegen „dem Zeug“ vermehrt mit schlimmen Spritzenabzessen zu kämpfen. Trotzdem ist Rohypnol auf dem Drogenmarkt stark im Kommen: Auch weil, wie Drogenabhängige berichten, das Heroin im Moment derart gestreckt ist, daß es „kaum noch turnt“. Zwei Polizisten in Zivil machen ihre Runde, suchen im Sand vor den zwei Stellplätzen in der Blumenstraße nach Drogendepots. Hier wird bereits der nächste Zaun geplant. „Die laufen hier ständig rum“, sagt Petra, die seit 20 Jahren an der Nadel hängt. Sie steckt ihre gebrauchten Spritzbestecke sorgfältig in die Tasche. „Auf den Rembertikreisel wollen die uns verteiben.“ Das man sich auf diesem heruntergekommenen Stückchen Grün „keinen wegmachen kann“, darin sind sich Werner und Petra einig. Zu naß und zu schmutzig ist der Platz, und außerdem, so Werner, sei man dort auch den Übergriffen von Skins schutzlos ausgeliefert. Darüber hinaus, „sind die meisten hier viel zu fertig, um noch bis dahin zu kommen,“ winkt Werner ab.

Einer der Junkies wickelt mühsam einen schmutzigen Verband von seinem völlig zerstochen Arm — vereiterte Spritzenabzesse, die er im Beratungsladen des Vereins für komunale Drogenpolitik in der Weberstraße regelmäßig verarzten lassen kann. Der warme und trockene Aufenthaltsraum für die Junkies fehlt jedoch. Die Öffnunszeiten des Drobs reichen nicht aus, zumal die MitarbeiterInnen auf die Übelastung auch mit einer zeitweisen Schließung reagiert haben. „Die meisten hier machen Platte. Wir haben zwar einen Schlafplatz im Container, müssen da aber tagsüber raus“. Achselzucken, „wo sollen wir sonst rumhängen?.“

„Toll ist, daß die Anwohner sich jetzt mit uns solidarisieren und auch Druckräume fordern“, die Freude taut Werner etwas auf. Solange sie keine konkrete Zusage haben, wollen die Junkies, durch die Bürgerinitiative vestärkt, weiterhin jeden Dienstag um 15 Uhr die Sielwallkreuzung besetzen.

Doch die Solidarität der Anwohner ist auch in diesen Straßen nicht unbegrenzt. Schon hängen erste Schilder an den Häusern — das durchgestrichene Spritzbesteck ist eine eindeutige Warnung. Auch die Besitzerin des Schmuckladens, die sich jetzt tagtäglich mit dem geballten Drogenelend konfrontiert sieht, gesteht: „Der Anblick ist zu schrecklich - am liebsten hätte ich, daß die bald wieder weg sind.“

sako