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»Miteinander leben in Berlin«

■ Frauengruppen stoßen sich an neuem Plakat der Ausländerbeauftragten/ Vorwurf: Sexismus und Rassismus/ Barbara John will sich der Kritik stellen

Berlin. Großformatig prangen sie derzeit von den Plakatwänden der U-Bahnhöfe: Zwei Beinpaare, die die Gemüter der Berliner Frauenszene erregen. Unter einer Schulbank lugen sie hervor, rechts die Beine einer schwarzen Frau, links neben ihr Springerstiefel, die so gar nicht recht zur hellen Hose des männlichen Banknachbars passen wollen. Ein durchlöcherter Socken gibt den Blick auf die weiße Hautfarbe frei.

Das neueste Plakat der Berliner Ausländerbeauftragten aus der Serie »Miteinander leben in Berlin« sorgte schon wenige Tage nach seinem Erscheinen für Empörung. Der Mädchentreff Wedding monierte Rassismus und Sexismus der Darstellung. Und die Koordinationsstelle Ban- Ying, die sich mit der Situation philippinischer und thailändischer Frauen in Berlin befaßt, forderte die Ausländerbeauftragte in einem offenen Brief auf, das Plakat sofort zurückzuziehen. Katrin Fischer, Mitarbeiterin von Ban-Ying, ist entsetzt über die Verharmlosung gewalttätiger und rechtsradikaler Gesinnung, die ihrer Meinung nach mit einer solchen Darstellung betrieben wird. Ihrer Ansicht nach lautet die zentrale Aussage des neuen Plakats letztlich: »Gewalttätige rechtslastige Jungs wollen eigentlich auch nur zärtlich sein.«

Die passive Beinhaltung der Frau verweise darüber hinaus auf die typische Rolle, die Ausländerinnen in der deutschen Gesellschaft zugewiesen werde. »Ausländische Frauen werden — wie auch das Plakat noch einmal dokumentiert — allzu gern als exotische Lustobjekte begriffen.« Damit, so kritisiert Ban-Ying, werde das Bild von der sanften bereitwilligen Exotin verfestigt, das rassistische mit sexistischen Sichtweisen kombiniert.

Nach Ansicht der Berliner Ausländerbeauftragten Barbara John will das Plakat mit der Konfrontation dieser extremen Unterschiede »Friedfertigkeit und Verträglichkeit« transportieren. Sie ist der Meinung, die feministische Kritik fixiere sich auf Klischees, die gerade mit Hilfe der Plakatserie überwunden werden sollten.

Schon vor der Veröffentlichung der Plakatserie war der Ausländerbeauftragten klar, daß diese Darstellung »möglicherweise mißverstanden« wird. Gerade die kritisierte Geste der Annäherung stelle jedoch Klischees in Frage und versuche, sie aufzubrechen: Deutsche müssen Ausländer nicht hassen, und Ausländer müssen sich nicht ständig bedroht fühlen und fürchten. »Ich will ein friedfertiges Denken mit diesem Plakat unterstützen«, unterstreicht John ihre Intention.

Mit den Gruppen, die ihr Plakat kritisieren, will sie in den nächsten Tagen das Gespräch suchen und sich persönlich der Kritik stellen. Karin Flothmann

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