: Eine Fusion ohne klares Konzept
■ Amerika-Gedenkbibliothek und Berliner Stadtbibliothek sollen zusammengelegt werden/ Konstruktion ähnlich wie Staatsbibliothek/ BibliothekarInnen zeigen skeptische Zustimmung
Mitte/Kreuzberg. In Berlin steht eine Vereinigung der beiden zentralen Bibliotheken im Westen und Osten bevor, der Amerika-Gedenkbibliothek und der Berliner Stadtbibliothek. Wie die taz in Erfahrung brachte, steht in dem gerade in Vorbereitung befindlichen Bibliotheksentwicklungsplan für Berlin — er soll den (ur-)alten aus dem Jahr 1955 ablösen —, die beiden Bibliotheken seien »in geeigneter Form zusammenzuführen.«
In der Senatsverwaltung für Kultur favorisiert man zwar immer noch die Verbindung von Stadtbibliothek und AGB zu einer »Großen Öffentlichen Bibliothek« im Palast der Republik. Aber auch wenn dieser weit über Berlin hinaus kontrovers diskutierte Plan scheitert, soll es künftig nur noch eine populäre Berliner Zentralbibliothek geben. Diese dürfte die in Kreuzberg gelegene Gedenkbibliothek und die Berliner Stadtbibliothek in Mitte in ihren Buchbeständen und organisatorisch zusammenfassen.
Denkbar wäre eine Form ähnlich der »Staatsbibliothek zu Berlin«, die sich »Bibliothek in zwei Häusern« nennt. Der Personalrat der Amerika- Gedenkbibliothek hat inzwischen beim Kultursenator brieflich um Auskunft nachgesucht, wie dessen präzisen »Vereinigungsvorstellungen« lauteten.
Aus der Berliner Bibliothekslandschaft ist indes skeptische Zustimmung zu dem Projekt zu erfahren, das die nicht erst seit dem Mauerfall arg strapazierte Amerika-Gedenkbibliothek und ihr bescheideneres, traditionsreiches Pendant aus dem Jahre 1907 in Mitte zusammenführen soll. »Hauptsache, wir bekommen eine funktionierende Zentralbibliothek«, sagt Marion Höppner, Vorsitzende des Vereins der Bibliothekare an Öffentlichen Bibliotheken.
Constanze Müller vom Personalrat der AGB hält eine aus AGB und Stadtbibliothek geschaffene Zentralbibliothek für durchaus denkbar. Aber sie wollte »erst mal wissen, wie das aussehen kann»; wichtig sei etwa, wie hoch der Personalbestand und der Etat nach der Zusammenführung sein würden. Bedenken hat die Personalrätin wegen der unterschiedlichen Identität der Bibliotheken. »Da würde etwas vereinigt, das nie zusammengehört hat«, sagt sie skeptisch. Die AGB war in den sechziger Jahren eine Gegengründung nach dem amerikanischen Konzept einer public library, einer öffentlichen Bibliothek, die sich ans breite Publikum richtet. Die Berliner Stadtbibliothek hatte sich seit ihrer Eröffnung 1907 eher zu einer Wissenschaftlichen Landesbibliothek entwickelt.
Klare Vorstellungen für eine »Große Öffentliche Bibliothek« haben zwei MitarbeiterInnen der AGB in einem Aufsatz für die Zeitschrift Bibliothek und Buch entwickelt. Sie schlagen eine Arbeitsteilung nach Fachgebieten vor. In Kreuzberg sollten die natur- und sozialwissenschaftlichen Fächer zu Hause sein; die geisteswissenschaftlichen Fächer, die Berlin- und die Sondersammlungen wären in der Breiten Straße zu finden, empfehlen Ursula Müller-Schüssler und Peter Delin.
Als Voraussetzung einer großen öffentlichen Zentralbibliothek (Etat: 21 Millionen Mark und 300 Beschäftigte) sehen sie eine gemeinsame, ausreichend dimensionierte EDV. Für die AGB wird momentan nach einem Ersatz für den alten Computer gesucht. Außerdem müßten große Freihandbereiche für die Publikumswirkung geschaffen werden. Delin und Schüssler gehen von 600.000 Bänden aus, die für die LeserInnen direkt zugänglich sein müßten; derzeit liegt die Zahl in AGB und BSB zusammen bei rund 165.000 Freihandbänden. »Die beiden Bibliotheken«, so schreiben sie, »brauchen sich nicht länger als passive Bücherspeicher zu verstehen.«
Auch die designierte AGB-Direktorin Charlotta Pawlowsky-Flodell will »eine öffentliche Bibliothek, die breiten Bevölkerungsschichten den Zugang zu den unterschiedlichsten Informationen ermöglicht.« In einem Interview mit dem Börsenblatt des deutschen Buchhandels sagte sie zur Situation der AGB als Zentralbibliothek, es sei völlig klar, »daß diese Bibliothek sich vergrößern muß, wenn sie ihrer Aufgabe gerecht werden will.« Christian Füller
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen