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"Schlagt ihn, wo ihr ihn trefft"

■ betr.: "Von Pflugscharen keine Spur" (Rußlands Rüstungsinitiative geht in Verkaufsoffensive), taz vom 18.8.92

betr.: „Von Pflugscharen keine Spur“ (Rußlands Rüstungsindustrie geht in Verkaufsoffensive), taz vom 18.8.92

Rußland ist als Konkurrenz auf dem Weltmarkt aufgetaucht. Zumindest in einigen Bereichen der Hochtechnologie. Die Regierung versucht ihre vom Wandlungsprozeß gebeutelte Wirtschaft zu sanieren. Dabei steht der massenhafte Ruin (und eben nicht der Erhalt) der Betriebe des Militärisch-Industriellen Komplexes (MIK) im Vordergrund. Durch Konversion, dem Umfang von militärischer zu ziviler Produktion, will man retten, was noch zu retten ist: Spitzenleistungen in Forschung und Technik.

Aber immer noch spukt das Gespenst des bis an die Zähne bewaffneten russischen Bären in den Köpfen westlicher Journalisten. Leider scheint auch Erwin Single sich den Realitäten im neuen Rußland zu verschließen. Der von ihm beschriebene erste russische Aerosalon „MosAeroshow '92“ auf dem Forschungsflughafen „Zhukovsky“ (nicht, wie fälschlich geschrieben „Jakowsik“) war eben keine „Militärmesse“. Es war der Beweis für die Ernsthaftigkeit der Regierung Jelzin, die Rüstungsproduktion des Landes umzubauen. Der größte Teil der oft gigantischen Hochrüstungswaffen der alten Sowjetunion sind heute weder in der GUS (aufgrund des Umbaus und der Verkleinerung der Armeen, dem Geldmangel und neuer politischer Orientierungen) noch auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Dennoch bleibt etliches übrig, was die Militärs in der Welt gerne hätten, und was ihnen auch verkauft wird. Blauäugig, wer dies leugnen wollte.

Aber sehen wir uns die Fakten an: Für 1992 rechnet man in Rußland mit zahlreichen Unternehmenszusammenbrüchen in der Branche. Mehr als eine Million Menschen werden wohl „freigesetzt“ werden. Fatal für die Bevölkerung, denn schon 1991 entfielen auf die Hersteller im MIK rund 83 Prozent der Produktion von medizinischen Geräten auf 95 Prozent der Computerfertigung. Sie sind an der Inlandsproduktion bei Minitraktoren zu 81 und bei Fernsehern, Nähmaschinen, Fotoapparaten und Videorekordern zu 100 Prozent beteiligt. Die Regierung Jelzin will innerhalb von 15 Jahren erreichen, daß mehr als 70 Prozent des MIK von der Konversion erfaßt werden. Die Produktion von Plutonium und anderen Spaltstoffen für militärische Zwecke soll praktisch völlig eingestellt werden. In drei der vier U-Boot-Werften wird schon jetzt die Arbeit aufgegeben.

Auf der „MosAeroshow '92“ waren rund zehn Prozent der gesamten Ausstellung rein militärischen Charakters. 90 Prozent galten der Konversion, den Passagierflugzeugen, der Raumfahrt oder sogar den Ultraleichtfliegern fürs Hobby. [...]

Westliche Firmen haben Angst vor der neuen, gewaltigen Konkurrenz, die ihnen in der zivilen Luftfahrt erwächst, und neigen zur PR- wirksamen Verteufelung. Die taz sollte nicht ins gleiche Horn stoßen. Ein Ergebnis der Aeroshow '92: Schon in diesem Dezember wird in Moskau, unter Zusammenarbeit mit der UN-Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO), die „Conversion '92“ stattfinden. Ein Messe- Projekt, das die dringend benötigte Beteiligung des Westens an der russischen Konversion vorantreiben soll. Robert Kreutzberger,

Pressesprecher der Glahé

International KG, Mitveranstal

terin der MosAeroshow'92,

Köln

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