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Kein Platz für Bauwagen

■ Altona: Frauen-Bauwagen und "Henriette" stehen vor ihrer Vertreibung

: Frauen-Bauwagen und „Henriette“ stehen vor ihrer Vertreibung

Der Konflikt zwischen der Osterkirchen-Genossenschaft und den zehn Bauwagen-Frauen, die seit Jahren auf einer Freifläche an der Altonaer Großen Brunnenstraße leben, spitzt sich weiter zu. Die 80 Genossenschaftler, allesamt Inhaber eines Paragraph 5-Scheins, wollen auf dem Gelände Sozialwohnungen bauen, die Frauen nicht weichen. Der Gesprächsfaden zwischen beiden Gruppen ist seit längerem zerschnitten.

Am Donnerstag Abend hatte die Initiative gegen das Hertie-Quaree die beiden Gruppen in die Motte eingeladen, um noch einmal gemeinsam über mögliche Lösungen des Konfliktes zu diskutieren. Während die Bauwagen-Frauen vollständig erschienen waren, ließ sich von den Osterkirchen-Genossenschaftlern niemand blicken. Genossenschaftler Mathias Heeder: „Wir haben den Termin schon Tage vor dem anvisierten Treff abgesagt, weil wir erst unsere Genossenschaftsversammlung am 6. September hinter uns bringen wollen“. Die Absage aber kam in der Motte nicht an, die Abstinenz der Genossenschaftler löste Enttäuschung aber auch Zorn aus. Trotzdem will die Hertie-Initiative erneut versuchen, die Streithähne an einen Tisch zu bekommen. Mathias Heeder dazu: „Wir waren immer gesprächsbereit, werden auf der Vollversammlung darüber beraten“.

Doch der Genossenschaftler macht klar, daß keine Einigung in Sicht ist: „Wir diskutieren nicht mehr darüber, unser Projekt abzublasen“. Denn die Osterkirchler hätten schon über 100000 Mark in die Planungen investiert. „Außerdem“, betont Heeder, „hat der jetzige Grundstücksbesitzer, die Wohnungsgesellschaft GWG, angekündigt, dort Wohnhäuser zu bauen, wenn wir abspringen“. Nur mit Engelszungen hätten sie die GWG davon abhalten können, die Vergabe des Grundstücks nicht wieder zurückzunehmen.

Statt mit den Bauwagen-Frauen sprachen die Genossenschaftler Mitte August mit dem Altonaer Bezirksamtsleiter Strenge und dem zuständigen Sozialdezernenten

Hoins. Ergebnis der Sitzung: Den Bauwagen-Frauen wird offiziell vom Bezirk angeboten, gemeinsam mit den Bewohnern des Kemal-Altun- Platzes auf ein asphaltiertes Frei- Gelände an der Barnerstraße zu ziehen. Um die sehr unterschiedlichen Gruppen räumlich und optisch zu trennen, soll eine hohe Hecke beide Wagenburgen voneinander abgrenzen. Doch auch dieser Vorschlag kam bei den Frauen scheinbar nie an, war nicht Gegenstand der Diskussion in der Motte.

Die Konsequenz der Sprachlosigkeit: Das vom eigenen Selbstverständnis her linksökologische Genossenschaftsprojekt wird die poli-

1zeiliche Räumung der Wohnwagen vor Baubeginn initiieren müssen, um bauen zu können. Auch Thomas Heeder kann das nicht mehr ausschließen, denn für ihn steht fest: „Die Frauen werden diesen Platz verlassen“.

Dieses Schicksal droht auch den sieben Bewohnern der „Wagenburg Henriette“, die sich in Sichtweite zum Frauen-Bauwagenplatz auf der Zeisewiese angesiedelt haben. Seit Monaten ziehen die Wohnwagen von Platz zu Platz, werden immer

1wieder geräumt. Mitte Oktober müssen sie auch von der an der Straße Am Born gelegenen Grünfläche abziehen, weil die Genossenschaft Ottensener Dreieck dann mit den Bauarbeiten für 48 Sozialwohnungen beginnen will. „Wir wissen nicht mehr wohin“, klagen die Bauwagen-Nutzer und fordern: „Die Stadt oder der Bezirk Altona soll uns ein grünes Alternativ-Gelände anbieten, auf dem wir auf Dauer leben können“.

Marco Carini

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